Der irakische Ministerpäsident Nouri Al-Maliki hat die offizielle Irak-Linie von Barack Obama gestern ausdrücklich befürwortet.
In einem Interview mit dem SPIEGEL begrüßte Maliki die von Obama favorisierte Frist für einen amerikanischen Truppenabzug von 16 Monaten:
“Das finden wir, wäre der richtige Zeitraum für den Abzug, geringe Abweichungen vorbehalten”, sagte der Iraker.
Maliki gab dabei freimütig zu erkennen, welchen Kandidaten er im US Wahlkampf bevorzugt:
Er wolle zwar keine Wahlempfehlung abgeben, sagte Maliki, doch wer in Irak “mit kurzen Fristen” rechne, sei “näher an der Wirklichkeit”.
Auch wenn Bagdad diese Darstellung anschliessend relativierte – was allzu verständlich ist – bleibt die Übereinstimmung der Interessen Malikis und Obamas in punkto Abzug offensichtlich.
Das führt im Lager von John McCain verständlicherweise zu einiger Unruhe. McCain weiß, dass die Mehrheit der Amerikaner für einen raschen Truppenanzug ist. Das Hauptargument von McCain lautete bisher, dass man erst dann aus dem Irak gehen könne, wenn die Sicherheit garantiert sei. Dieses Argument wird ihm nun von Maliki aus der hand genommen. Der Iraker hat bereits mehrfach beteuert, sein Land wäre in der Lage, für seine eigene Sicherheit zu sorgen und zuletzt sogar ausdrücklich einen Termin für den Abzug gefordert.
Damit stürzen schlechte Nachrichten gleich von mehreren Seiten auf McCain herein. Nicht nur, dass er die Amerikaner gerne länger im Irak sehen würde. Er lehnt auch jegliche Verhandlung mit dem Iran ab.
Diese Position wurde nun just von George W. Bush untergraben. US Unterhändler Burns befindet sich zu Atomverhandlungen mit Iran an diesem Wochenende in Genf, und Washington hat signalisiert, diplomatische Beziehungen zu Teheran aufbauen zu wollen.
Die Irakreise Obamas hätte für Maliki zu keinem besseren Zeitpunkt erfolgen können. Die Aussicht auf einen Truppenabzug will sich Maliki als Verdienst anrechnen lassen.
Denn: Im Westen zumeist als starker Mann im Irak gesehen, ist die Position Malikis tatsächlich alles andere als gefestigt.
Malikis Dawa-Partei ist beinahe zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken, zumal sie sich zuletzt aufgesplittet hat. Die wackelige Koalition Malikis schließt die miliz-basierte Partei des Islamischen Hohen Rates des Irak (Islamic Supreme Council of Iraq / ISCI) ein, die ihrerseits enge Beziehungen zu Teheran pflegt.
Einerseits sieht auch die ISCI die Abhängigkeit von den USA, um vor allem den Aufbau der Polizei- und Armeekräfte weiter vorantreiben zu können, andererseits unterliegt sie den Forderungen aus dem Iran nach einem raschen Abzug.
Der Versuch des schiitischen irakischen Ministerpräsidenten, die Sunniten verstärkt in die Regierung einzubinden, sind bislang weitgehend gescheitert. Die Sunniten haben die letzten Wahlen fast vollständig boykottiert. Nur die kleine Gruppe der Iraqi Islamic Party (IIP), die in direktem Kontak zur Muslimischen Bruderschaft unterhält, ist im Parlament vertreten.
Die meisten Sunniten im Irak sind allerdings moderat bis säkular eingestellt, und lehnen die streng islamistischen Ziele der IIP und der Muslimischen Bruderschaft ab. Die moderaten Sunniten haben sich in der von den Amerikanern unterstützten Miliz-Bewegung “Awakening” (sahwa), zusammengeschlossen, die auch “Söhne des Irak” genannt wird (“sons of Iraq”).
Schließlich gibt es noch Gerüchte über einen möglichen Putsch der Armee gegen Maliki, wie aus den Kreisen um den US Oberbefehlhaber General Petraeus zu vernehmen war.
Auch die letzten Signale der schiitischen Miliz des Geistlichen Al-Sadr tragen nicht zur Beruhigung bei. Während einer Konferenz von sunnitischen und schiitischen Maliki-Gegnern in Damaskus in der vergangenen Woche wurden unverhüllte Drohungen ausgesprochen.
Maliki muss Erfolge vorweisen. Rasch. Ein äußerst schwieriger Balanceakt.
Der Besuch Obamas musste Maliki daher höchst willkommen sein.
— Schlesinger
(Photo: Alex Chandra)