Am 08. Juli berichtete die englischsprachige Palestine Post über die Haltung Australiens auf der Flüchtlingskonferenz von Evian:
Palestine Post
08.07.1938
ATTITUDE TO EVIAN PLANS
CANNOT ENCOURAGE MASS IMMIGRATION, SAYS DELEGATEEVIAN, Thursday (R) — Australia‘s attitude to the Evian proposals for the absorption of refugees in other countries than Germany and Austria, was outlined today by the official delegate, who made it clear that the Commonwealth could not encourage mass immigration.
The delegate said that in recent years the Commonwealth had taken a proportion of new emigrants from foreign sources.
The Commonwealth Government realised the unhappy plight of German and Austrian Jews and therefore had included them on a pro rata basis in its immigration policy.
In the circumstances, however, his country could do no more.
It would be appreciated that his Government preferred British subjects as settlers, and felt that no discrimination could be made in favour of one class of non-British subjects in preference to others.
British Government Attitude
Yesterday, Lord Winterton declared that the British Government were carefully surveying the prospects of admitting refugees into their colonies and overseas countries.
The Government were especially examining the possibilities of settlement in East African territories, and a number of other projects were at present also under active consideration.
He said that the Government had a plan which it would submit to the conference later at a closed session. Without committing himself to the American proposal for the establishment of a permanent office, Lord Winterton said that countries of emigration must facilitate emigration by permitting emigrants to take out some of their capital.
A London message adds that the Home Secretary was asked in the House of Commons this afternoon if he would consider the possibility of finding room for additional refugees by cancelling the permission of those Germans residing in England who were not refugees.
Sir Samuel Hoare replied that the occasion for such action would arise only if there were in Great Britain a number of German subjects who could be repatriated without hardship to themselves or disadvantage to Great Britain: That was not the case. Many Germans had been settled in England for long periods and a goodly number had British-born wives and children.
Wie wenig die zynische Haltung des australischen Gesandten in Evian doch zu dem sympathischen Bild passt, das man üblicherweise von “down-under” hat: Australien könne eine massenhafte Einwanderung nicht befürworten. Im Übrigen würde die Immigration von vielen Juden eine Diskriminierung gegenüber anderen einwanderungswilligen Personen darstellen.
England räsonierte derweil über eine jüdische Immigration in ost-afrikanische Gebiete und zog die Aussicht sorgfältig in Betracht, jüdische Flüchtlinge in den britischen Kolonien zuzulassen.
Arabischer Aufstand 1936-39
In Palästina ging auch an diesem 08. Juli 1938 der arabische Aufstand gegen die britischen Besatzer weiter. Es gab nicht so schwere Vorfälle wie am Tag zuvor in Haifa, aber Messerattacken, Schüsse und ein Bombenanschlag mit zwei Toten waren schlimm genug.
Angesichts der Vorfälle tagte der Jüdische Nationalrat Palästinas (Va’ad Leumi) und rief die jüdische Bevölkerung zu Besonnenheit und Zurückhaltung auf: Man dürfe sich von den Arabern nicht in einen Bürgerkrieg ziehen lassen.
Dem Bericht der Palestine Post zufolge wurde der Begriff “outwit” benutzt, was so viel heißt wie überlisten oder austricksen. Das trifft in einem gewissen Sinn durchaus zu: die politische Führung der Zionisten hat darauf gebaut, dass die Araber in ihrem Aufstand gegen die Briten den Kürzeren ziehen würden.
Tatsächlich zeigte sich die britische Mandatsmacht von ihrer härtesten Seite und ging mit allen polizeilichen und militärischen Mitteln gegen die Aufständischen vor. Über hundert Araber wurden hingerichtet, über zweitausend kamen bei Konfrontationen zu Tode. Dazu gehörten viele politische Aktivisten. Die politische Führung der Araber in Palästina hat sich von diesem Schlag auf lange Jahre hinaus nicht mehr erholt.
Auf dieses Ergebnis zählte die zionistische Führung. Für David Ben-Gurion und den inneren Zirkel hatte sich in diesen Jahren schon abgezeichnet, dass die Lösung der “arabischen Frage” nur in einem “Transfer” liegen könnte. “Transfer” bedeutete nichts anderes als Vertreibung. Diese Politik war natürlich viel zu heikel, als dass man sie offiziell gemacht hätte. Als jedoch im vorangegangenen Jahr 1937 die britische Peel-Kommission die Empfehlung zur Teilung Palästinas ausgesprochen und dabei ausdrücklich den Transfer von Teilen der Bevölkerung erwogen hatte, mussten sich die Zionisten durchaus ermuntert fühlen, dieses Thema mit größerem Nachdruck zu verfolgen.*
Würde die Konferenz von Evian zu einem Erfolg führen, würden sehr viele europäische Juden im Land untergebracht werden müssen. Bis dahin wäre es von Vorteil gewesen die Oberhand in Palästina zu haben.
Dass man noch nicht selbst gegen die verhassten Briten antreten musste, sondern diesen Kampf fürs Erste den Arabern überlassen konnte, musste den Zionisten in jenen Tagen wie eine glückliche Fügung erscheinen.
— Schlesinger
Hervorhebungen nicht im Original
Quelle: Archiv
* Vgl. Benny Morris, 1948, p.18: “Once the Peel commission had given the idea [of transfer] its imprimatur, the floodgates werde opened. Ben-Gurion, Weizmann, Shertok, and others – a virtual consensus – went on record in support of transfer […]”
Photo: Wikimedia, gemeinfrei
Teil 1 finden Sie hier.