Der israelische Historiker Ilan Pappé hätte am 24.10.2009 im Pädagogischen Institut München, dessen Träger die Stadt München ist, zur Reihe “Israel – Mythos und Wirklichkeit” vortragen sollen.
Nach Intervention der “Deutsch-Israelischen Gesellschaft” gegen den mutmaßlich allzu Israel-kritischen Beitrag zog die Stadt München unter Vorgabe peinlich fadenscheiniger Gründe (“Sicherheitsbedenken”) die Freigabe des Veranstaltungsortes zurück.
Prof. Dr. Pappe, der an der britischen Universität Exeter den Lehrstuhl für Neuere Geschichte inne hat, schrieb aufgrund dieses unerhörten Vorgangs zurecht folgenden Brief an Münchens OB Christian Ude:
“Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
ich bin erschüttert und beleidigt durch Ihre Entscheidung, meinen von der Gruppe SALAM- SHALOM organisierten Auftritt im Pädagogischen Institut des Schul- und Kultusreferats der Landeshauptstadt München – vom 23 . bis zum 25. Oktober 2009 – abzusetzen.
Mein Vater wurde als deutscher Jude in ähnlicher Weise in den frühen dreißiger Jahren zum Schweigen gebracht, und es ist traurig, Zeuge der Wiederkehr der gleichen Zensur im Jahre 2009 zu sein. So wie ich heute wurden mein Vater und seine Freunde als ,,humanistische” und ,,friedensorientierte” Juden angesehen, deren Stimme erstickt und unterdrückt werden musste.
Ich bin ein Professor der Geschichtswissenschaften in leitender Position an einer der angesehensten Universitäten Großbritanniens. Ich wurde von der Münchner Friedensgruppe nicht nur als professioneller Historiker, sondem auch als Friedensaktivist eingeladen.
Nirgendwo sonst in Europa, nirgendwo auf der ganzen Welt, habe ich eine derart repressive Haltung und eine solche Bereitschaft zur Unterwerfung angesichts der Einschüchterung durch einige wenige Leute erlebt, die sich anmaßen, Repräsentanten der jüdischen Erfahrung und Katastrophe [Holocaust] zu sein. Wenn überhaupt, dann wurde das Andenken meiner Familie und vieler
weiterer Juden missbraucht, indem man mir als unmittelbarem Abkömmling nicht erlaubte, frei in Deutschland zu reden. Ich bin weniger besorgt um meine persönliche Redefreiheit, die mir – wie gesagt – großzügig und selbstverständlich überall in Europa gewährt wird, als vielmehr – wie es jeder anständige Mensch sein sollte – um den Zustand der Redefreiheit und der Demokratie im gegenwärtigen Deutschland.
Ich bin mir sicher, dass die Stadt München in der Rückschau erkennen wird, dass diese Zensurmaßnahme ein schlimmer Fehler war, der allerdings wiedergutgemacht werden kann – indem man mich neuerlich in das lnstitut einlädt.
Hochachtungsvoll
Professor llan Pappe”
Man mag in einzelnen Punkten Kritik an der Arbeit Pappes anbringen, doch nichts davon kann letzten Endes rechtfertigen, dass eine deutsche Stadt einen Geisteswissenschaftler auslädt, weil dessen Meinung nicht mit der Auffassung einer beliebigen Gruppe – hier der Deutsch-Israelischen Gesellschaft – korrespondiert.
Daher ist der Begriff Zensur und ist die Empörung von Prof. Pappe – jenseits von geschmäcklerischen Fragen der Wortwahl Pappes – vollkommen angebracht.
Die Stadt München hat hier einen großen Fehler begangen, und sollte ihn nach besten Kräften revidieren.