Bibi Netanjahu hatte einmal mehr die dümlichste Antwort parat: Es sei doch bedauernswert, wie die arabischen Störenfriede die israelischen Unabhängigkeitsfeiern stören würden.
So ungefähr hat er sich in der Kabinettssitzung zu den Unruhen geäußert, die anlässlich des palästinensischen “Nakba”-Tages aufgetreten sind. Palästinensische Araber begehen jedes Jahr am 15. Mai den Tag ihrer sogenannten “Katastrophe”, um ihrer Enteignung und Vertreibung im Zuge der israelischen Unabhängigkeit vom 14. Mai 1948 zu gedenken.
Dieses Wochenende kam es neben mehreren Massendemonstrationen in Ramallah und Gaza auch zu Konfrontationen mit der israelischen Armee und Sicherheitskräften, bei denen vierzehn Palästinenser zu Tode kamen und allein an der libanesischen Grenze über hundert durch Schüsse verletzt wurden.
Das Ergebnis ist an sich nichts Neues.
Neu ist ein anderes Phänomen. In Gaza hat die dort regierende Hamas erfolglos versucht Demonstranten davon abzuhalten an die israelischen Checkpoints zu gelangen, um zu protestieren. Erstmals haben von Syrien aus palästinensische Flüchtlinge versucht die Grenze zu Israel zu überwinden, weshalb israelische Soldaten das Feuer eröffneten. Ähnliches hat an der libanesisch-israelischen Grenze stattgefunden.
Diesen Ereignissen ist eines gemeinsam. Die Protestaktionen finden nicht die Zustimmung von Hamas in Gaza oder Fatah im Westjordanland.
Mahmoud Abbas und Ismael Hanjya unter Druck
Fatah unter der Führung von palästinenserpräsident Mahmoud Abbas wiederum muss gerade jetzt, nach der von Israel mit größtem Mißtrauen beobachteten Versöhnung mit Hamas alles tun um den Eindruck zu vermeiden, man wolle Israel gewalttätig gegenüber treten. Keinesfalls wolle er eine dritte Intifada zulassen, gab Abbas schon vor Wochen bekannt.
Hamas kennt meist wenig Zurückhaltung, wenn es darum geht Israel zu konfrontieren. Immerhin hat Ismael Hanijya gerade wieder erklärt, dem zionistischen Unternehmen ein Ende setzen zu wollen. Vorausgesetzt, sie hat dabei die Fäden in der Hand. Das scheint bei den jüngsten Unruhen nicht der Fall zu sein. Statt dessen versuchten von Hamas unabhängige Aktivsten auf ihre Weise ihren Protest gegen die israelische Besatzung auszudrücken.
Die jüngste arabische Protestwelle in Palästina mag zahlenmäßig noch nicht besonders groß sein.
Aber sie scheint nach den ersten internen Revolten gegenüber den alten Machthabern Hamas und Fatah ein weiterer Schritt zu sein, mit dem auch gerade den eigenen Leuten der Mißmut über deren Unfähigkeit aufgezeigt wird. Ein Mitglied des Zentralkommitees der Fatah erklärt nun, die Regierung würde einem Aufstand der palästinensischen Straße nichts entgegen zu setzen haben:
This leadership won’t be able to quiet the street, which has witnessed the success and achievements of the Egyptians and Tunisians.
The Palestinian people will react according to its level of hope in a peaceful solution
Daher war die Antwort Netanjahus dümlich. Bislang konnte die israelische Regierung auf zweierlei vertrauen: Auf die Ergebenheit der Autonomiebehörde Abbas’ im Westjordanland und auf die eherne militante Konfrontation mit Hamas. Falls der arabische Frühling die trotz ihrer relativen Jugend merkwürdig vergreisten Regimes von Hamas und Fatah bedrängen oder gar stürzen sollte, wären die ebenfalls erstarrten israelischen Routinen wertlos.
Die Sympathie des Westens mit den arabischen Freiheitsbewegungen ist zu groß, als dass Netanjahu oder sein Außenminister Lieberman in der Lage wären diesen Umbruch mit dem alten Kampfbegriff Terrorismus umzudeuten. So aber verhält sich Netanjahu passiv und versucht den neuen Entwicklungen mit alten Konzepten gegenüber zu treten. Dafür hatte Michael Gorbachov einst die passende Formel: Wer zu spät kommt…
— Schlesinger
Photo: Wikipedia CC Lizenz / Peter Souza / White House
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