Das ist neu: Wut und Frust über die Auswirkungen der jüdischen Siedlungen in der Westbank sind im politischen Zentrum Israels angekommen.
Justizministerin Tzipi Livni meinte auf der jüngsten Herzliya Sicherheitskonferenz:*
Ich habe die politische Korrektheit satt.
Es ist an der Zeit die Dinge genau so zu benennen wie sie sind:
Die Siedlungsaktivität ist eine Belastung für unsere Sicherheit, unsere Wirtschaft und unsere Moral.
Sie zielt darauf ab, uns daran zu hindern jemals zu einer Verständigung [mit den Palästinensern] zu kommen.
Damit ist noch nicht viel erreicht. Nur eins ist klar: Früher oder später wird eine Entscheidung fallen müssen, da die fortgesetzte Besiedlung und die anhaltende Besatzung des Westjordanlandes Israel innerlich zerreissen.
Das offenkundige und schier unlösbare Dilemma für Jerusalem ist dreifacher Art:
1. Man möchte die Besatzung loswerden, da sie ein finanzielles, moralisches und sicherheitspolitisches Problem darstellt
2. Man will keine gesellschaftliche Zerreißprobe mit den Siedlern und ihren Anhängern
3. Man fürchtet eine Übernahme der Westbank durch Hamas und damit verbunden eine indirekte politisch-militärische Präsenz des Iran
Rückzug aus der Westbank löst nicht alle Probleme
Lange Zeit hat sich die pazifistische Linke in Israel damit begnügt, den Abzug aus der Westbank laut zu fordern: Mit dem Abzug würde man zu einem Frieden mit den Palästinensern kommen.
Diese Haltung hatte von vornherein einen massiven Mangel. Er hat die Folgen des Kriegs von 1948 ignoriert: die Nakba, d.h die palästinensische Katastrophe, d.h. die Vertreibung von sieben hundert Tausend Menschen und die Zerstörung von 800 Dörfern.
Der Rückzug ist trotzdem unabdingbar. Die militärische Besatzung eines Volkes durch ein anderes muß beendet werden. Auch wenn damit nicht alle Probleme beseitigt werden.
— Schlesinger
* “I’m sick of being politically correct. It’s time to say things exactly as they are: The settlement enterprise is a security, economic and moral burden that is aimed at preventing us from ever coming to an arrangement.”
PS. Januar 2018: Nur ein paar Jahre später sind Siedlungen wu einer Art mainstream geworden. Leseempfehlung:
Vom Messianismus zur Mittelklasse: Israelische Siedlungen im Westjordanland