Powell, der erste Außenminister der Regierung Bush, meinte gestern in einem Interview mit ABC News, er habe sich noch nicht festgelegt, wen der drei Präsidentschaftskandidaten er wählen beziehungsweise unterstützen wolle. Er verstehe sich als Freund von allen dreien.
Zur Lage im Irak sagte Powell in Richtung McCain, Clinton und Obama, sie würden als Präsident eine Situation vorfinden, mit der die USA auf Dauer nicht umgehen könnten.
140.000 Truppen im Irak und 25.000 Mann in Afghanistan wären schlicht eine zu große Belastung für das Land:
they [die kandidaten] will face a military force, a United States military force, that cannot sustain, continue to sustain, 140,000 people deployed in Iraq, and the 20 (to) 25,000 people we have deployed in Afghanistan
Auch wenn sich Powell zuvor nicht gegen die Irak-Positionen von John McCain ausgesprochen hat, kann diese Aussage als Kritik an McCain verstanden werden. Der hat sich bislang gegen jeglichen frühzeitigen Abzug ausgesprochen und war im vergangenen Jahr großer Befürworter der Truppenverstärkung (“surge“).
McCain möchte die Stationierungsfrage nicht als Frage der Machbarkeit oder im Sinne einer politischen Risiko/Nutzen-Analyse betrachtet wissen, sondern als Charakterfrage:
“It would be an unconscionable act of betrayal [Verrat], a stain on our character [Schandfleck auf unserem nationalen Charakter] as a great nation, if we were to walk away from the Iraqi people and consign them to the horrendous violence [wenn man sie schrecklicher gewalt überlassen würde], ethnic cleansing and possibly genocide that would follow a reckless, irresponsible and premature withdrawal” [nach einem feigen, unverantwortlichen und unreifen US-Abzug]
Mit anderen Worten: Mögen die USA noch so sehr an diesem Krieg bluten, sie müssen auf Kurs bleiben.
Dieses Argumentationsmuster erinnert sehr an altbekannte Methoden der Regierung Bush: “mit uns oder gegen uns” oder “wer nicht für den Krieg ist, ist unpatriotisch”.
Ein gefährliches Spiel, auf das sich McCain hier einläßt.
Im Interview ging Powell auch auf die Episode mit Reverend Jeremiah Wright ein, und zollte dazu großes Lob an Barack Obama:
“It was a good (speech),” Powell said. “I admired him for giving it. And I agreed with much of what he said.”
Was schrieb Rocklegende Neil Young im Song Looking for a leader (Album Living with war) sinngemäß? Maybe its Colin Powell, for putting straight what he’d done wrong.
Powell hatte sich damals “einkaufen” lassen von Bush und für den Krieg getrommelt. Das sei sein “stain”, sein Schandfleck, meinte Powell im Nachhinein.
Er wäre nicht der schlechteste Vizepräsident: Eine Korrektur für McCains Irakpolitik, eine pragmatische Bereicherung für Obamas visionären Stil, eine Eindämmung von Clintons Machtinstinkten.
— Schlesinger
(Photo: Arlington Friedhof, jimbowen0306)