Der arabische Frühling ist nichts für Christen, könnte man im Falle Syriens überspitzt formulieren.
Die christliche Minderheit des Landes fühlt sich bislang gut beschützt von Syriens Präsident Bashir al-Assad, der als Alawit ebenfalls einer Minderheit angehört.
Der evangelische Pfarrer Weiß-Lange berichtete heute auf Deutschlandradio Kultur aus Beirut. Er reise öfter nach Damaskus und in andere syrische Städte, um dort Gottesdienste abzuhalten. Dabei stehe er in Kontakt zu den christlichen Gemeinden und Kirchenoberen und könne sagen, dass sich die Christen des Landes, die etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, vor einem Umsturz Assads fürchten:
Also das, was ich weiß von leitenden Geistlichen, also der Kirchen im Land, ist, dass sie einfach deutlich machen, dass sie dankbar sind für den Schutz, den sie haben, und der ist durch das Regime. Das wird unterschiedlich formuliert, aber das ist die Position.
Offiziell ist es ein säkulares Land, aber von der Geschichte her, die orientalische Christen in muslimischen Ländern haben, muss es immer jemand sein, der sie beschützt in diesem Land: Das Staatsoberhaupt, und das ist in dem Sinne in Syrien heute der Präsident.
Und deshalb ist natürlich bei aller Kritik, die es auch gibt und die durchaus auch geäußert wird, schon der Wunsch da, dass sich da möglichst nicht so viel dran ändern möge.
Besonders fürchtet man sich vor einem Szenario wie im Irak, wo sich die verschiedenen Glaubensrichtungen mit äußerster Gewalt bekämpfen.
Der Wunsch zu überleben
Weiß-Lange äußerte Verständnis für die Lage der Christen, denn “der Wunsch ist schlicht zu überleben”.
Dagegen kann wenig eingewendet werden, denn niemand kann vorhersehen, wie ein Syrien nach Assad aussehen könnte.
Der russische Nahost-Experte Jewgeni Satanowski sieht den Sturz Assads kommen und mit ihm eine islamistische Radikalisierung des Landes:
Unter den angeblichen Zivilisten, die gegen Assads Regierung protestieren, gibt es viele bewaffnete Profis, möglicherweise Mitglieder der Muslimbrüder, deren Stützpunkte an der syrisch-irakischen Grenze liegen.
Dazu muss allerdings gesagt werden, dass Rußland ein Interesse am Machterhalt Assads hat. Der hat sich bislang als guter Partner gezeigt. Rußland selbst hat in mehreren seiner Regionen Probleme mit muslimischen Aufständischen. Insofern schützt es sich selbst, wenn es die Entwicklung in Syrien so zeigt, als würden dort bald radikale Muslime an die Macht kommen.
Ungeachtet dessen nährt ein Blick auf den Irak jedenfalls die schlimmen Befürchtungen der christlichen Syrer:
Insgesamt lebten vor dem dritten Golfkrieg etwa 1,2 Millionen Christen im Irak. Nach dem Krieg 2003 blieben nur rund 800.000 Christen im Land. Als relativ wohlhabende Schicht gehörten sie zu denen, die am ehesten die Möglichkeit hatten, ins Ausland zu flüchten.
Inzwischen jedoch haben sich die direkt religiös motivierten Angriffe auf die größte nicht-muslimische Gruppe stark gehäuft. Die befürchtete Massenflucht der Christen scheint nun eingesetzt zu haben.
Laut UNHCR [dem Flüchtlimngswerk der UN, Anm.] haben nunmehr mehr als die Hälfte der ursprünglich 1,2 Millionen Christen den Irak verlassen. Inzwischen gibt es laut übereinstimmenden Schätzungen der UNO und der Hilfsorganisation “Kirche in Not” noch etwa eine halbe Million Christen im Irak.
Das Problem hält bis heute an. Inwieweit der Golfkrieg als ein Krieg der christlichen USA und seiner Verbündeten gegen den Irak mit dazu beigetragen hat, dass die christliche Minderheit im Land verfolgt und bedrängt wurde ist nur schwer einzuschätzen, aber nicht von der Hand zu weisen.
In diesem Punkt unterscheidet sich die Situation zwischen Syrien und dem Irak grundlegend.
Wenigstens bisher hat niemand im Irak einen Grund die Christen des Landes zu verfolgen. Aber das war noch nie eine Garantie.
Dennoch: Ein schales Gefühl bleibt bei der Vorstellung die Christen wollen Assad weiter an der Macht sehen.
— Schlesinger
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