Die Schlußphase der Niederschlagung des Herero-Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika (Namibia) wurde im kaiserlichen Generalstab wie folgt beschrieben:
Die mit eiserner Strenge monatelang durchgeführte Absperrung des Sandfelds …vollendete das Werk der Vernichtung.
Das Röcheln der Sterbenden und das Wutgeschrei des Wahnsinns, sie verhallten in der erhabenen Stille der Unendlichkeit.
Die Brutalität darf niemanden verwundern, hatte der deutsche Oberkommandierende vor Ort, Generalleutnant von Trotha, vorgegeben:
Ich glaube, dass die Nation [der Hereros] als solche vernichtet werden muß
Trotha wurde durch seinen Vorgesetzten Graf von Schlieffen, dem Chef des Generalstabes, unterstützt:
Der entbrannte Rassenkampf ist nur durch die Vernichtung einer Partei abzuschließen
Damit hatte Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts seinen ersten Völkermord begangen.
Die Vorgeschichte ist rasch erzählt: Deutschland hatte als späte Kolonialmacht (Kaiser Wilhelm über die territorialen Bestrebungen des Kaiserreichs: “Ein Platz an der Sonne!”) ebenso wenig Rücksicht auf die ursprünglichen Bewohner genommen wie andere Kolonialmächte. Die eingeborenen Stämme der Herero und Nama wurden von ihren besten Ländereien vertrieben und weitgehend entrechtet.
Als die Situation existenzbedrohlich wurde entschlossen sich die Hereros im Januar 1904 zum Widerstand,der anfangs erfolgreich war. Kaiser Wilhelm entsandte eine 15.000 Mann starke Truppe,um die deutsche Herrschaft zu sichern. Von Begin an gingen die Deutschen mit größter Härte und Brutalität gegen die Aufständischen vor. Schließlich kesselte man sie in der Omaheke-Wüste ein, wo die meisten Familien mitsamt ihren Herden verdursteten. Die Überlebenden wurden in Konzentrationsläger verbracht, wo ein Großteil an Hunger, Durst oder Krankheiten starb.
Von ursprünglich etwa 100.000 Hereros überlebten nur 15.000 den deutschen Vernichtungsfeldzug.
Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft – Vorgängerin der heutigen Max-Planck-Gesellschaft – spielte dabei eine unrühmliche Rolle. Sie ließ sich aus Deutsch-Südwestafrika unzählige Leichname und dabei vorzugsweise Schädel schicken,um sie zu m Zweck der Rassenforschung zu untersuchen. Es liegen Hinweise vor, dass Kopfgeldjäger als Lieferanten dienten, die auch nicht am Krieg beteiligte Hereros einzig dazu jagten und mordeten, um ihnen den Kopf abzuschlagen.
Das bittere Versöhnungsangebot
Vor einigen Tagen fand in der Berliner Charite, die damals zur Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gehörte, eine Zeremonie statt, um symbolisch 20 der dort noch immer befindlichen Schädel der namibischen Regierung zurück zu geben.
Dabei kam es zu einem Eklat, als die Protagonistin der Veranstaltung Cornelia Piper (FDP), Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, auf Zwischenrufe aus dem Publikum gereizt reagierte und die Protestierenden belehrte, dass man in Deutschland freie Rede geniesse und man die Leute ausreden lassen müsse. Schließlich rief sie offenbar enerviert in den Saal, dass Deutschland Namibia um Versöhnung bitte und sie dem namibischen Volk ihre Hand reiche.
Nun ist Versöhnung ein Vorgang, der üblicherweise zwischen zwei im wesentlichen gleichberechtigten oder gleichgestellten vormaligen Widersachern stattfindet, also so etwas wie zwischen den Kriegsparteien Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg.
Von so einer Situation kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Es handelt sich eher um einen Vorgang, der dem Völkermord der Türken an den Armeniern oder dem Genozid der Deutschen an den Juden weitgehend gleichgestellt ist. In allen Fällen wurden großteils Wehrlose durch die Staatsmacht gemordet, weil sie Angehörige einer Volksgruppe sind.
Daher kann es nicht um Versöhnung gehen, sondern nur um Reparationen, was die materielle Seite anbelangt, und der Bitte nach Vergebung, was die moralische Seite anbelangt.
Weiterhin ist es nicht an Frau Pieper dem namibischen Volk die Hand zu reichen, denn das kommt einem Anspruch auf Versöhnung gleich, den weder sie noch die Bundesregierung hat.*
Die Vertreter der Hereros zeigen sich angesichts der deutschen Verweigerungshaltung ungehalten, denn es ist aus ihrer Sicht schwer einzusehen, warum deutsche Reparationen an Israel bzw. an jüdische Organisationen nach dem Holocaust möglich waren, nicht aber für die Opfer des Völkermordes an den namibischen Stämme der Hereros, Nama und Damara, so Frau Kahatjipara auf Deutschlandradio:
Deutschland habe sich bei den Juden entschuldigt und Milliarden an Entschädigung gezahlt. Man frage sich, warum die Herero nicht ebenso behandelt werden …
… die bisherigen Bundesregierungen (haben) Entschädigungen mit dem Argument abgelehnt, dass der Genozid geschah, bevor Deutschland die Genfer Konventionen unterzeichnet habe. Das sei in den 1950er-Jahren geschehen, also nach dem Völkermord an den Juden.
“Was ist der Unterschied, frage ich mich. Liegt es daran, dass wir schwarz sind?”, so Kahatjipara.
FDP: Auch früher keine historische Verantwortung
Doch dafür hat die FDP schon früher wenig Verständnis gezeigt.
In der Wiedergutmachungs- und Verjährungsdebatte nach dem Zweiten Weltkrieg wandte sich Bundesjustizminister Ewald Bucher (FDP) gegen eine Verlängerung der Verjährungsfristen – um die Morde der Nationalsozialisten länger verfolgen zu können – mit der verquerten Begründung, dass man auf Beweisschwierigkeiten stossen würde und die deutsche Justiz durch daraus resultierende Freisprüche Schaden nehmen könnte.
Dass Deutschland Schaden nimmt durch eine Verschleppungs- und Verzögerungstaktik, wie sie nun wieder durch die Mitarbeiterin von Außenminister Westerwelle demonstriert wurde, scheinen die Winkeladvokaten der Liberalen erneut nicht zu verstehen.
— Schlesinger
* Auszug aus der Rede Piepers:
Die heutige Übergabe der Schädel in namibische Hände erinnert an ein dunkles Kapitel der geteilten deutsch-namibischen Geschichte. Der heutige Tag gibt Anlass, sich abermals der damals verübten Gräueltaten bewusst zu werden und das unermessliche Leid der Betroffenen anzuerkennen. Wir sollten gemeinsam über Wege nachdenken, wie wir aus der Rückschau auf diesen Abschnitt trauriger Ereignisse zur Vertiefung der positiven, zukunftsbejahenden Perspektive für die Beziehungen unserer Länder und Völker beitragen können.
Wir Deutschen bekennen uns zu diesem schweren historischen Erbe und der daraus resultierenden moralischen und historischen Verantwortung gegenüber Namibia. Der Deutsche Bundestag hat sich in zwei Entschließungen (1989 und 2004) zu dieser Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia und einer daraus erwachsenen Sonderbeziehung zwischen beiden Staaten bekannt. Die Bundesregierung kommt diesem Auftrag durch eine besonders enge bilaterale Zusammenarbeit mit Namibia – auch auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit – nach.
Ich möchte auch ganz persönlich mein tiefes Bedauern und meine Scham über das den Vorfahren der heute in Berlin anwesenden Stammesvertreter Angetane zum Ausdruck bringen. Ich gedenke mit Hochachtung der Menschen, die vor mehr als hundert Jahren im Kampf für die Selbstbestimmung ihrer Völker gestorben sind. Ich bitte an dieser Stelle im Namen der Bundesregierung die besonders betroffenen Völker der Herero, Nama und Damara um Versöhnung und reiche dem namibischen Volk meine Hand.“
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