Folter ist keine Folter, wenn man dem Begriff eine neue Definition gibt, wie die Regierung Bush es getan hat. Dann ist Folter nur noch “verschärfte Vernehmung”. Bush wird nicht wissen, dass es exakt dieser Begriff war, den die Gestapo verwendet hatte, um Foltermethoden begrifflich zu kaschieren.
Welche Nation ist das, die foltert?
Die USA sind die mächtigste Nation der Welt.
Sie sind die wichtigste Stütze der NATO.
Sie sind der bedeutendste Handelpartner der westlichen Welt.
Was treibt die USA an, seit die Regierung Bush die Verantwortung trägt?
Welche Gesinnung herrscht in Washington, beherrscht die Regierung?
Welche Gesinnung steht hinter einem Irakkrieg, dessen Gründe vorsätzlich frei erfunden wurden?
Welche Gesinnung hat eine Regierung, die ihre eigene Bevölkerung ohne richterlichen Beschluss abhören lässt und dies in massivem Umfang tut?
Welche Gesinnung hat eine Regierung die Folter wieder einführen lassen?
In den Jahren nach 1933 hat die Welt Deutschland gegenüber die Meinung vertreten, dass alles nicht so schlimm sein könne. Alles sei nur böser Schein. Deutschland sei im Grunde viel zu kultiviert.
Man sah und hatte nichts gesehen.
Der große Sebastian Haffner schrieb einst als Zeitzeuge des frühen Nationalsozialismus: “Wer aus Deutschland eine demokratische Großmacht machen möchte hält Ausschau nach Äpfeln, die an einem Rosenbusch wachsen. Es gibt keine.”
Wir sehen die Gründe, die zum Irakkrieg geführt haben, sehen Guantanamo, sehen Bespitzelung der Bevölkerung und halten Ausschau nach Äpfeln. Die Regierung Bush aber ist ein Rosenbusch, der alle Apfelbäumchen längst überwuchert hat.
Diese Verbündeten flößen Furcht ein, längst schon. Die unfaßbare Passivität des Kongreß, noch immer. Nancy Pelosi, sie ist so korrekt ein echter Demokrat nur wie korrekt sein kann, der nicht weiß, mit wem er es zu tun hat. Die völlig unangebracht höfliche Zurückhaltung unserer Regierung. Die Redensarten unseres Innenministers, der von seinen amerikanischen Amtskollegen zu lernen scheint – ein unschöner Lernprozess -, das alles …
Zur Frage, ob Folter irgendwie zu rechtfertigen sei, meinen die übrig gebliebenen zivilisierten Stimmen in den USA, die einzig relevante Frage sei nicht die nach dem Gegner und dessen Bekämpfung, sondern die nach einem selbst: “Wer sind wir, wenn wird dies tun, wenn wir foltern?”.
Und wir, wer sind wir, wenn wir unseren Verbündeten dies alles tun sehen und nichts tun?
Am Tage des Kriegsausbruchs von 1914 schrieb Franz Kafka in sein Tagebuch: “Deutschland hat Serbien den Krieg erklärt – Heute nachmittag Schwimmstunden.”
Ein weiterer Krieg – etwa dem Iran gegenüber – wurde nicht oder noch nicht bis jetzt um 13.36 und hoffentlich heute nicht mehr erklärt. Der von Bush fröhlich glucksend dahergefaselte “Dritte Weltkrieg” ist noch nicht ausgebrochen (“fröhlich glucksend” ist keine karikaturhafte Darstellung des Bush-Interviews, er hat über den drohenden Krieg tatsächlich gesprochen, als würde er einen Kinderwitz erzählen) . Ich werde mir heute abend also Kerner ansehen – läuft der heute? – und dabei wie der Rest versuchen zu gucken, zu staunen, zu fiebern, ob dieser oder jener denn wirklich diesesundjenes – Ist nicht wahr!
— Schlesinger