5 Jahre Krieg im Irak sind eine lange Zeit. 4000 zerschossene Amerikaner, namenlos viele Iraker. Verstümmelte an Leib und Seele auf beiden Seiten. Die Zeitungen waren voll davon an diesen Fasten – und Ostertagen.
Der Papst spricht seinen Segen. Wie jedes Jahr. Erbittet den Frieden auf Erden. Die Gläubigen danken es ihm.
“Eine schöne Stimmung” sei es gewesen auf dem Petersplatz, sagt eine Deutsche im Interview. Ich bin irgendwie froh für sie, dass sie eine Seligkeit spüren kann.
Sehe ich den Irakkrieg und seinen monströsen spiritus rector Dick Cheney, der soeben zu Friedensgesprächen im Nahen Osten unterwegs ist – als wäre es dem je um Frieden gegangen – und dazu die seit Jahren dauernde laue Haltung der Kirchen unterschiedlicher Couleur in dieser Frage, kann ich nicht anders als an das Reichskonkordat von 1933 zu denken.
Im Reichskonkordat schloss die Katholische Kirche ihren Frieden mit dem Führer. Es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Die Kirche musste nicht fürchten, als Ganzes ausgehebelt zu werden. Adolf Hitler musste sich keine Sorgen machen, seine katholischen Landsleute würden ihm von der Kanzel herab abspenstig gemacht. Bis auf wenige Ausnahmen hielt dieser Pakt bis zum bitteren Ende.
“Der Münsterer Bischof Galen hat im Juli und August drei höchst unerschrockene Predigten gegen die Kirchenverfolgung und den Geisteskrankenmord gehalten, in einer bisher unerhört freimütigen Sprache über die Rechtlosigkeit und Methoden der Gestapo… warum läßt Rom Galen so alleine kämpfen? Und was machen unsere herrlichen Kirchenfürsten?”
Ulrich von Hassell, Tagebuch, 30.8.1941
Hassell (Bild: vor dem Volksgerichtshof), der in Beziehung zu den Widerständlern Beck, Goerdeler und dem Kreisauer Kreis stand, wurde nach dem Attentat auf Hitler vom Blutsäufer des Volksgerichtshofes Roland Freisler dem Strang übergeben.
Cheney ist nicht Hitler und das Konkordat von damals sind nicht die Kirchen von heute. Nur – die Menschen sind dieselben.
Die Anzettelung eines Angriffskrieges – eines war of choice, wie die Amerikaner über diesen Krieg im Irak sagen – ist ein Verbrechen, das für sich steht. Es wird nicht dadurch gering, dass es nicht die Dimension des Zweiten Weltkriegs hat. Sodann die gestapohafte Bespitzelung der eigenen Bevölkerung in den USA und andernorts, die Außerkraftsetzung des Völkerrechts mit dem unsäglichen Guantanamo und zahllosen detention camps – ausgelagerten Foltercamps -, das alles ist keine schlechte Politik: Es sind verbrecherische Akte auch und vor allem gegen die eigene Bevölkerung.
Es geht nur um die USA? Weit gefehlt. Es geht um unseren Verbündeten, um unseren NATO-Partner, es geht um dieselben kulturellen Wurzeln und Werte. Es geht um uns.
Wo also sind die Hassell und die Galen hüben und drüben, geschweige denn: Wo ist, wo war Rom in all den Jahren?
Die Kirche – auch die amerikanischen Kirchen – sprechen viel und oft vom Schutz des ungeborenen Lebens. Der Reiz dieses Themas scheint für die Kirchen darin zu liegen, dass es etwas Ideelles hat. Das noch nicht geborene Leben – es ist wie die Idee des Lebens, Leben im unverdorbenen , reinen Zustand. Wahrscheinlich erscheint es deshalb so schützenswert. Die Idee des reinen Lebens darf nicht sterben – und schon gar nicht getötet werden.
Wenn das Leben dann ins Leben tritt, wird es von Beginn an verstrickt in die Irrungen, Wirrungen und Versuchungen des wirklichen Lebens. Die Idee des Lebens ist damit aber zu etwas anderem geworden – zu einem befleckten Leben.
Beflecktes Leben aber ist – weniger wert. Weniger schützenswert. Wenn sie sterben, die ins Leben Hineingewachsenen, sterben sie immer als Sünder. Und das tun sie. Dort unten.
“Und was machen unsere herrlichen Kirchenfürsten?”
Sie schweigen und werden froh sein, dass die Frau, die auf dem Petersplatz nach ihren Eindrücken befragt wurde, so geantwortet hat, wie sie es tat. Morgen abend wird sie wieder “Kerner” ansehen oder “Wer wird Millionär” und daher nie, gar nie auf die Idee kommen, die Kirche habe schon wieder ihr Konkordat geschlossen, schließe immer wieder ihre Konkordate. Und seien es nur kleine.
Christ died in vain. Er wollte nie nur “eine schöne Stimmung” auf dem Petersplatz, und dort einen Stellvertreter, der feinste rote Schuhe von Prada trägt. Denn die trägt, so viel weiß man inzwischen aus Hollywood, nur der Teufel.
— Schlesinger
PS.1: Lieber Herr Hochhuth, möchten Sie sich nicht dieses Themas annehmen? Wer sonst könnte es?
PS.2: Die Osterbotschaft dieses Jahres, die diesen Namen verdient, kam von Barack Obama.
(Photos: Jesus © studali - Fotolia.com; von Hassell Deutsches Historisches Museum)
Gelungene filmische Adaption durch den großen Regisseur Costa-Gavras (u.a. “Vermisst” mit Jack Lemmon und Sissy Spacek):
Aus meiner Sicht die beste Interpretation des Verdi Requiems unter Leitung des viel zu früh verstorbenen Ferenc Fricsay mit dem großartigen RIAS Symphonie-Orchesters (Vorläufer der Berliner Symphoniker):