betitelt der Theologe Hans Küng einen aktuellen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung und nimmt dem Leser gleich zu Beginn jede Hoffnung, dass dem so sein könnte: “Aber leider ist er ein Bush: Dem Pontifex bedeuteted Versöhnung mit einigen Erzreaktionären mehr als das vertrauen in Millionen.”
Damit trifft Küng den Nagel auf den Kopf und fährt mit großer Präzision in seiner Analyse fort.
Was Benedikt mit Bush gemeinsam hat:
- Visionslosigkeit
- Lernunfähigkeit
- Ja-Sager als Berater
- Rückwärtsorientierung
- Befangenheit in Angstvorstellungen
- Reformverweigerung
- zunehmender Vertrauensverlust
- Aufwertung des konservativ-reaktionären Flügels
Wäre Benedikt ein Obama, würde er:
- die Krise der Kirche und deren Ursachen deutlich ansprechen (wie priesterlose Gemeinden, Nachwuchsprobleme)
- neue Visionen entwickeln und Handlungen daraufhin auslegen (bessere Verständigung mit anderen Religionen, Respekt gegenüber den Wissenschaften, dringend nötige Reformmaßnahmen per dekret sofort einleiten, ein Konzil für einen Richtungswechsel einberufen)
Da aber Benedikt kein Obama ist und die Reformen dringend nötig sind, muß nach Küng das Episkopat aktiver werden. Die Stimmen all derer, die die Kirche zukunftfähig gestalten wollen, müssten gegenüber dieser erstarrten Kirchenführung laut vernehmlich sein und sich durchsetzen. Ob man das könne? fragt Küng und antwortet sehr modern: Yes, we can!
Abwicklung des Zweiten Vatikanischen Konzils
Heribert Prantl hat in einem anderen Beitrag der SZ einen wesentlichen Aspekt der Ära Benedikt trefflich charakterisiert, indem er urteilt, dieser deutsche Papst habe das auf Öffnung bedachte Zweite Vatikanische Konzil inzwischen “abgewickelt”:
Die Hoffnung vieler römischer Katholiken darauf, dass Benedikt den Zugang zum Priesteramt erleichtern werde, waren wohl von vornherein irreal; die Hoffnung auf mehr Mitsprache der Laien auch.
Immer mehr Gläubige haben das Gefühl, nicht als Mitglieder der Kirche respektiert, sondern als die Schafe des Vatikans behandelt zu werden. Die Rufe “Wir sind Kirche” prallen ab an den Mauern des Vatikans.
Das kommt dem erzkonservativen Kirchenverständnis der Pius-Bruderschaft und ihrer Bischöfe entgegen, deren Exkommunikation der Papst rückgängig gemacht hat.
All die reaktionären Tendenzen kulminierten vor wenigen Tagen, als Rom die Exkommunikation von vier Bischöfen aus der Anhängerschaft des erzkonservativen Bischofs Marcel Lefebvre aufgehoben hatte. Darunter ist auch Bischof Richard Williamson, der öffentlich den Holocaust geleugnet hatte. Entsprechend groß war und ist das Entsetzen und das Unverständnis sowohl innerhalb wie außerhalb der katholischen Welt.
Angela Merkel: Papst hat “theologische Strahlkraft”
Wer den Papst kritisiere, verkenne die Intention seiner Rede, sagte die CDU-Chefin.
Sie meinte zu einem anderen Aspekt: Ich “glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir Wege der Ökumene finden, ohne das Trennende unter den Tisch zu kehren. Ich habe den Eindruck, dass der Heilige Vater diesbezüglich auch sehr aufgeschlossen ist.
Sodann beglückwünsche sie den Heiligen Vater: „Mit theologischer Strahlkraft, tiefer Glaubensstärke und persönlicher Überzeugung gestalten Sie seit Jahrzehnten in der Katholischen Kirche und in die Gesellschaft hinein“.
Verzeihen Sie, das war ein kleiner editorischer Fehler: Die soeben dargelegten Merkel-Zitate stammen aus den in-love-with-Benedetto-days der Jahre 2006/07.
Heute, , hat der Bundeskanzler die Lage gesichtet und – handelt
Angela Merkel, die sich nie als erste aus dem Fenster lehnt, sondern wendeköpfig wartet, wohin der Wind weht, hat nun Benedikt angesichts des unüberhörbaren öffentlichen Aufschreis um die heikle Holocaust-Leugnung Williamsons ein bisschen entschlossen bekrittelt. Der müsse sich erklären, meinte sie sinngemäß.
Da wird sich der Papst warm anziehen, wenn so ein scharfer Wind aus Berlin weht. Oder auch nicht, denn Frau Merkel erhielt prompt eine bayerisch-päpstliche Watsch’n.
UPDATE 04.02.2009
Heute kommentiert der Rabbiner Walter Homolka, Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs der Universität Potsdam und dortiger Honorarprofessor, in der SZ “Außenansicht” die Haltung der Katholischen Kirche.
Es gehe beim aktuellen Geschehen nicht um den Einzelfall der Versöhnung mit vormals exkommunizierten “Traditionalisten-Bischöfen”. Es gehe auch nicht um “Management-Fehler” innerhalb der Kurie, aufgrund derer es zu diesem Vorfall gekommen sei. Es gehe vielmehr um die dahinter stehende Gesinnung: “dass der Papst Abtrünnige und Rückwärtsgewandte ohne jede Vorbedingung in den Schoß der Kirche zurückkehren lässt”.
Inzwischen sei die Missionierung von Juden aus Sicht Roms wieder opportun. Die Katholische Kirche meine, sie müsse die aus ihrer Sicht auf niederer Stufe stehenden Juden zu sich emporheben. Daher auch die wieder eingeführte Freitagsfürbitte: “Wir wollen auch beten für die Juden, dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen als Heiland aller Menschen.” Diese Formulierung stammt von Papst Benedikt höchtpersönlich.
Die wieder aufgenommenen Bischöfe entstammen der Denkschule des 1991 verstorbenen Bischofs Marcel Levebvre.
Franz Schmidberger als der deutsche Statthalter der Lefebvristen (= Pius-Bruderschaft) äußerte im Dezember 2008 in einem Rundschreiben an 27 deutsche Bischöfe:
Die Juden unserer Tage (…) sind des Gottesmordes mitschuldig, solange sie sich nicht durch das Bekenntnis der Gottheit Christi und die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren.”
Durch den Gnadenakt Benedikts wird diese Gesinnung faktisch hoffähig gemacht.
Das ist eine gottverdammte Schande.
Homolka hat in seiner Kritik an Rom nichts anderes als die Wahrheit gesprochen.
Die Welt leidet genug an christlichen Extremisten in den USA, an muslimischen Extremisten unter den Taliban, der Hamas und der Hizbollah oder jüdischen Extremisten in der Westbank, so dass wir keine weiteren in der Mitte Europas brauchen.
Wir sind Papst? Wir waren es unter Benedikt jenseits einer Einbildung noch nie.
Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Chimäre spätestens jetzt in – Unwohlgefallen aufgelöst hat.
— Schlesinger
(Hans Küng, 80, ist emeritierter Professor für ökumenische Theologie der Universität Tübingen und Präsident der Stiftung Weltethos. 1980 ließ der Vatikan ihm die kirchliche Lehrerlaubnis entziehen.)
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