Die beste Nachricht aus dem Bereich Medien, die am Wochenende zu vernehmen war, lautete:
Dieter Hildebrandt verbietet dem Kabarettisten Mathias Richling, den Titel „Scheibenwischer“ zu verwenden.
„Richling macht eine andere Sendung, also soll er sie auch anders nennen“, sagt Hildebrandt.
Hildebrandt hat dem unsäglich flachen Treiben, das unter dem Namen seines legendären Politkabaretts firmieren wollte, fürs erste ein Ende bereitet.
Was Richling, Jonas & Co. im “neuen” Scheibenwischer veranstalteten, war kein Politkabarett, sondern bloß noch affige Klamaukstunde mit eingestreuten Politikernamen.
Bleibt zu hoffen, dass die Richling-Blödelbarden fürderhin nur noch unter neuer Bezeichnung oder am besten gar nicht mehr auftreten.
Der rechtschaffene Nachfolger des Scheibenwischers ist Urban Priols “Neues aus der Anstalt”. Daran gibt es gar keinen Zweifel.
Was die Herren Schramm, Priol, Hader, Rether & Co. dort abliefern, ist politisches Kabarett vom Feinsten, aufgelockert durch feinsinnige nichtpolitische Einlagen hinterfotzigster Art (verzeihen Sie diesen bajuwarischen Kraftausdruck, aber er trifft es am besten).
Chapeau!
Im Übrigen hat Dieter Hildebrandt diesem Format längst seinen Segen gegeben, indem er dort ungeachtet seines erstaunlich jungen hohen Alters unlängst einen erstklassigen Gastauftritt abgeliefert hat.
Immer wieder neu zeigt sich die Meisterklasse solchen Kabaretts darin, dass es zu geißeln und zu informieren versteht. Als Musterbeispiel dafür kann die Sendung gelten, in der Schramm sich über den – entgegen aller politischen Beteuerungen – nie bei der Masse angekommenen Aufschwung zu Recht in Rage redete.
Die Anstalt in der Weltwirtschaftskrise…
Haben wir noch mit einer sehr, sehr ernsten Krise oder bereits mit dem Anfang einer ausgewachsenen Weltwirtschaftskrise wie der von 1929 zu tun?
Niemand kann es wissen.
Dennoch übertreffen sich unzählige Medien, Ökonomen und Politiker in masochistischer Art gegenseitig darin, möglichst düstere Aussichten an die Wand zu malen.
Einer der größten Pessimisten dieser Tage ist ausgerechnet der aktuelle Nobelpreisträger für Ökonomie Paul Krugman. Er schreibt für kein geringeres Blatt als die New York Times, was den Wirkungsgrad seiner Äußerungen nicht verringert. Seinen kürzlich verfassten Essay “Wer kann den [wirtschaftlichen] Schmerzen ein Ende bereiten?” beendete er mit:
The closest 19th-century parallel I can find to the current slump is the recession that followed the Panic of 1873.
That recession did eventually end without any government intervention, but it lasted more than five years, and another prolonged recession followed just three years later.
You can see, then, why some Fed officials are so pessimistic.
Let’s be clear: the Obama administration’s policy initiatives will help in this difficult period — especially if the administration bites the bullet and takes over weak banks.
But still I wonder: Who’ll stop the pain?
Wie wird die “Anstalt” in dieser pessimistischen Großwetterlage auftreten?
Ich fürchte: Lediglich so wie bisher.
Sie wird sich die vielversprechendsten, heikelsten Fälle heraussuchen und in gekonnter Manier ihre messerscharfen Pointen produzieren.
Ob diese Kabarett-Politik an dem Verlauf der Krise auch nur einen Jota ändert, darf bezweifelt werden. Nicht, dass man sich zu viel Wirkung vom Kabarett versprechen sollte. Aber. Die Anstalt hat ihre Reichweite und hat ihren Ruf.
Vielleicht knöpft sie sich unseren neuen Wirtschaftsminister zu Guttenberg einmal mehr vor, der sich momentan zumindest medienwirksam ins Zeug legt (Guttenberg, den “fränkischen Aristokratenlümmel”, wie G. Schramm in der letzten Sendung* wetterte).
Gerade erst hat zu Guttenberg dem OPEL-Vorstand eine Abfuhr erteilt. Kein gescheiter Sanierungsplan – keine Staatshilfen. Heißt das: Plausibler Sanierungsplan = Staatshilfen? Für wen alles? Seit wann verfügt die Bundesregierung über ein Füllhorn, das es nun beliebig ausschütten könnte?
So also kann sich ein zu Guttenberg noch die nächsten 6 oder 12 Monate mit unzähligen, beliebig komplizierten einzelnen Fällen beschäftigen und würde dabei (vielleicht) als höchst umtriebiger Macher dargestellt. Dabei wird allerdings übersehen, dass die Handlungsspielräume der Regierung längst radikal eingeengt sind.
Egal ob Wirtschaftsminister oder Kabarett: Jetzt fortgesetzt auf theoretisch möglichen weiteren Regierungsmaßnahmen herumzureiten (die schlicht nicht mehr finanzierbar sind) heißt ein totes Pferd reiten wollen.
Ein zu Guttenberg, ein Priol sollte sich überlegen, wem das nützen soll.
Der schlaffe Bürger: Bislang unkritisiert
Barack Obama hat einen ersten zögerlichen Schritt gewagt, den verschreckten Bürger aufzurütteln um ihn daran zu hindern der Krise durch übervorsichtiges Zögern weiter Nahrung zu geben.
Obama verpflichtete sich darauf, alles zu tun, um der Krise Einhalt zu gebieten. A b e r die Bürger sollten sich davor hüten, jetzt ihr Geld in die Matratzen zu stopfen:
But he pledged that he would “get all the pillars in place for recovery this year” and urged Americans not to “stuff money in their mattresses.”
Ein wahres, ein überaus wichtiges Wort!
Krisenbewältigung trotz der Hasenfüße ?
Die Deutschen beginnen just in diesen Tagen einmal mehr, sich als Weltmeister des Pessimismus und der Schwarzseherei zu betätigen.
Die Kursentwicklung von Gold weist darauf hin, dass die Bürger auf die sichere Seite wollen. Und doch sägen sie damit nur mit größter Energie an ihrem eigenen Ast. Falls alles gut geht, werden wir es überstanden haben – trotz dieser Hasenfüße.
Sollte sich die “Anstalt” trauen, nicht nur wie üblich “die Politiker” und “die Regierung” zu kritisieren, sondern – gerade jetzt! – die Bürger am Schlafittchen zu packen? Um Ihnen klipp und klar vorzuhalten: Ihr zeigt Euch gerade von derselben Schlaffheit, die ihr ansonsten gerne der Politik vorhaltet! Daher fordern wir: Seid klug, seid vernünftig und kauft, investiert jetzt – klug und vernünftig.
Wer jetzt ängstlich seinen Geldbeutel verschließt, obwohl er noch leidlich gut gefüllt ist, ist dümmer als es ein im Kabarett auf die Schippe genommener Politiker je sein könnte. Denn er verschließt sich die Zukunft – was ein gewiefter Politiker nie machen würde…
Diese Botschaft wäre eine überaus nötige und im übrigen einem furchtlosen Kabarett gut zu Gesicht stehende. Von einem von und zu Guttenberg ganz zu schweigen.
Na denn, meine Herren Priol und Oberstleutnant Sanftleben: Auf ins Gefecht!
Oder doch nichts Neues aus der Anstalt?
— Schlesinger
(Bild: Münchner AZ)
* Priols bester Spruch zur Kanzlerin: “gestern Retterin der Schöpfung, heute nur noch Retterin der Wertschöpfung…”
kreativster Spruch: “ein feinripploses Leben ohne Eingriff, auf dem Abstellgleis ..” (Priol über den Mann als dem wahren Verlierer der Krise, nachdem die Firmen Märklin udn Schiesser bankrott gingen)