Massentierhaltung. Brandrodung für Soja in Brasilien. Klimakrise. Fettsucht. Zivilisationskrankheiten.
Mit dem Thema konventionelle Ernährung sind eine Menge heikler globaler und individueller Themen verbunden.
In Israel scheinen die Menschen ihre eigene, bemerkenswerte Antwort darauf zu geben.
Seit Jahren steigt der Anteil der Vegetarier und Veganer.
Einen nicht kleinen Anteil daran hat die in Israel populäre Food-Bloggerin Ori Shavit. Sie wurde von einer “normalen” Esserin zur überzeugten Veganerin. In einem eindringlichen TED-Talk erklärt sie ihre mehr als guten Gründe:
Die vielleicht beste Frage von Ori Shavit in ihrem Vortrag war die nach den Kosten eines Hühner-Ei. Natürlich antwortete das Publikum mit dem Preis. Shavit zeigte aber die Kosten, also zum Beispiel das vieltausendfache industrielle Schreddern von nutzlosen männlichen Küken…
Vegane Haupstadt Tel Aviv
Schon im Jahr 2017 hat die große britische Zeitung “The Independent” Tel Aviv zur Welthauptstadt des Veganismus erklärt. Dort gibt es mindestens 400 vegane oder veganer-freundliche Restaurants.
Gibt man auf dem Reiseportal Tripadvisor für die Stadt Berlin auf der Suche nach Restaurants die Suchfilter “vegan” und “vegetarisch” an findet man rund 1.100 Treffer. Dasselbe für Tel Aviv bringt 360 Treffer. Rechnet man aber die Einwohnerzahl Tel Avivs auf Berlin um, hätte Tel Aviv knapp 3.000 vegane Restaurants…
Und der Trend hält an.
Anreize kommen in Israel sogar von der Versicherungswirtschaft. Dort hat man den gesundheitlichen damit den kostensparenden Wert von veganer Ernährung erkannt, und bietet entsprechenden Kunden Preisnachlässe.
Das sind gute Nachrichten in Zeiten, in denen in Brasilien von Staats wegen unvorstellbar große Flächen Urwald abbrennt, um den Soja-Hunger der Milliarden Rinder und Schweine und Hühner zu stillen, damit diese geplagten Tiere wiederum den irrsinnigen Fleischhunger von Milliarden Menschen befriedigen.
Hier ein weiterer TED-Talk. Darin trägt eine amerikanische Ernährungswissenschaftlerin vor zum Thema pflanzliche Ernährung. Viel nüchterner im Vergleich zu Ori Shavit. Aber die Geschmäcker sind schließlich verschieden. Nicht nur beim Essen, auch beim Vortrag 🙂
Erfahrungsbericht vegane Ernährung
Etwas anderes als eine Ernährung auf Basis von viel Fleisch, Wurst, Geflügel und Fisch kam für mich eigentlich nie in Frage. Früher war ich Leistungssportler. Grobe Richtung: Mittelstrecke und Kraftsport. Nicht Marathon. Alle Welt war sich einig: Das ging anscheinend nur mit beachtlichen Mengen an Proteinen – und die mussten tierischen Ursprungs sein. So war das über Jahrzehnte. Aus Gewohnheit bleibt man dabei. Wie in anderen Lebenslagen auch.
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich eher versuchsweise damit angefangen vegan zu kochen. Sie wissen schon: Ein Wohlstandbäuchlein hier, ein Zwicken und Ziehen da in den Gelenken nach einem schönen Braten oder einem gut marmorierten Steak. Die Galle protestiert nach dem bayerischen Schweinsbraten. Unschön. Gab es vielleicht etwas anderes? Als verwöhnter Hobbykoch will man keine Abstriche machen. Aber anderserseits: Eine Menge Leute aus meiner Umgebung haben immer öfter geredet über vegane Ernährung. Warum nicht? Probieren geht immer. Gut kochen kann ich seit langem. Ich habe mir daher ohne Weiteres zugetraut, auch mit mehr Gemüse, Reis, Bohnen & Co. ein paar leckere Sachen hinzubekommen. Also ging es los. Ich war einfach neugierig.
Abnehmen durch vegane Ernährung
Abnehmen war kein Ziel, aber es hat sich so ergeben. Ohne jeglichen Diätplan. Ohne ein Fitzelchen Verzicht. Es macht echt Spaß die Jeans von vor 5 Jahren wieder anziehen zu können.
Mehr Energie durch viel Obst, Gemüse, Bohnen und bestes Olivenöl
Mehr Energie zu haben – das hat der eine oder die andere behauptet – klang für mich eher nach Wunschdenken. Aber es kam so. Ich benötige weniger Schlaf und bin frischer. Früher war Gemüse und die “Salatgarnitur” das Feigenblatt, um neben dem ordentlichen Stück Fleisch oder Huhn auch noch etwas “gesundes” auf dem Teller zu haben. Wer kennt nicht dieses anschliessende Völlegefühl, gerade auch nach dem meist billigen und schlechten Essen in der Firmenkantine? Mit einem Haufen knackigem Gemüse oder Salat passiert das nicht.
Geld sparen mit veganem Essen
Den deutlich geringeren Betrag, den man beim Einkaufen ausgibt hatte ich gar nicht im Sinn. Aber es ist nett das mitzunehmen.
Vegane Ernährung kann Asthma bessern
Dass mein Asthma dramatisch nachlassen würde kam als völlig unerwartete Wirkung. Seit längerem liegt mein Spray unbenutzt in der Ecke. Das war und ist wirklich ein Knaller. Ob dieser Effekt für alle gilt, die unter Asthma leiden kann ich unmöglich sagen. Dafür gibt es zu viele Ursachen und Auslöser. Wer mehr wissen möchte über aktuelle Erkenntnisse zwischen unserer falschen westlichen Ernährung und den damit verbundenen Zusammenhang von Entzündungsfaktoren und Asthma kann sich den medizinischen Beitrag ansehen, der oben verlinkt ist.
Hier noch ein interessanter Beitrag aus dem Ärzteblatt zum Thema Fleisch, Wurst unde Asthma.
Vegan kochen macht Spaß
Hand aufs Herz: Ohne Spaß am neuen Kochen würde ich wahrscheinlich auf die ganzen schönen Vorteile verzichten. Sich quälen oder einen auf Asket machen überlasse ich gerne anderen.
Als leidenschaftlicher Hobbykoch ist das eine ganz wunderbare Überraschung an der neuen veganen Küche: Eine regelrechte Explosion an zusätzlicher Geschmacksvielfalt durch die neue, reichliche Verwendung von viel mehr Kräutern, Gewürzen, Essigen und Ölen als bisher.
Im Grunde gibt es zu den Hauptmahlzeiten nun immer es einen knackigen Berg purer Frische: Blumenkohl oder Rosenkohl oder Kohlrabi oder-oder-oder. Vorzugsweise nur kurz blanchiert, nicht totkochen! Immer mit reichlich Kräutern. Gerne mit einer schweren, leckeren Sauce auf Basis von Bohnen oder Linsen oder Sesammus (Tahin). Mit besten Ölen darf nie gespart werden (“der Geschmack liegt im Fett”). Die Möglichkeiten zu variieren sind praktisch unbegrenzt!
Mit Würzölen tut sich ein ganzes Aromen-Universum auf. Ein paar Tröpfchen Hanföl und 1a Balsamico auf Berglinsen – die Wucht! Ich könnte stundenlang über äußerst gut gelungene Experimente berichten. Trauen Sie sich und probieren Sie einfach.
Sinngemäß gilt dasselbe für alle Varianten von Salaten. Mit Nüssen, Äpfeln, Karotten, Avocados.
Mein Kochen von früher, das Essen von damals kommt mir heute langweilig vor. Was die Gesundheit betrifft: Gefährlich langweilig.
Die neue Ernährung schließt zumindest bei mir nicht aus, dass es auch einmal einen Entenbraten zu einem Fest gibt. Aber das wird vermutlich die Ausnahme bleiben. Diese Gerichte haben wie von allein ihren Reiz verloren. Ein Schinken- oder Leberwurstbrot macht mir heute keine Freude mehr (um es gelinde zu sagen).
Aber wie herrlich schmeckt die selbstgemachte, vor Kräutern strotzende und vor feinstem Olivenöl glänzende Paste aus italienischen Bohnen morgens auf dem Brot!
Der israelische National-Snack Hummus hat ohnehin seinen Stammplatz: Immer reichlich garniert mit Gurke, Tomaten und Frühlingszwiebeln. Alles kleine Kraftwerke!
Dass Bohnen und Linsen beim Proteingehalt* mithalten können mit zarten Rinder-Steaks und Schweine-Schnitzel hinter sich lassen wissen die Männer unter den Lesern schon längst, nicht wahr…?
Ich hatte wirklich keine großen Erwartungen an diese Ernährungsumstellung. Umso größer ist die Überraschung, wie vieles sich positiv verändert hat.
Vielleicht probieren Sie es mal. Just for fun.
Oder um die Welt gesund zu essen 🙂
Ich will Sie abschliessend nicht ermuntern extra wegen veganen Essens nach Tel Aviv oder Israel zu fliegen… wäre nicht gut für die Ökobilanz…, aber dort gibt es eine sagenhafte Auswahl an wirklich bestem Obst- und Gemüse und natürlich Hummus und Falafel und unzähligen anderen Leckereien zu geniessen… Sollte es sich so ergeben, könnte ich es verstehen!
Der durch einen allgemeinen Verzicht auf Massentierhaltung künftig vielleicht wieder aufgeforstete Regenwald in Brasilien würde so eine vegane Reise vieltausendfach ausgleichen.
— Schlesinger
Kennen Sie die spannende Doku, in der eine Reihe von US Athleten von ihrer Umstellung auf vegane Ernährung berichten, und in der ausgerechnet Arnold Schwarzenegger mit Missfallen auf seine Zeit als Steak-Esser zurück blickt? Falls der komplette Film hinter dem o.g. Link weg sein sollte, ist hier der Trailer:
Tel Aviv: Hummus für mehr Klimaschutz https://t.co/XbJ5GS4c4J #Israel #TelAviv #Vegan
— tagesschau (@tagesschau) December 11, 2019
Titelphoto: Brooke Lark on Unsplash
Photo Linsen mit Karotten: selbst
Photo Salatschüssel: by Louis Hansel on Unsplash
* Eiweißgehalt von mageren Steaks: ~ 28%
Eiweißgehalt von Schweine-Schnitzel: ~23%
Proteingehalt von Bohnen und Linsen: zwischen 23 und 28%