Trotz zahlreicher Bücher und Artikel von Historikern weltweit – allen voran die der sogenannten “Neuen Historiker” in Israel selbst – wird die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung im Krieg von 1948/49 immer wieder in Frage gestellt.
Man kann zur Vertreibung viele Belegstellen der Historiker anführen.*
Am ehesten überzeugt vielleicht die gewissermaßen halb- amtlicheAussage von Shlomo Ben-Ami, dem ehemaligen Außenminister unter Premierminister Ehud Barak:
The expulsion [Vertreibung] of the Palestinian Arabs from areas taken over by the Israelis was to the military commanders a natural, perhaps even compelling [unwiderstehlich], outcome of the drive to conquer and possess the land by military force.
Yigal Allon, at times with Ben-Gurions connivance [Duldung], was a major promoter of the expulsion of Arabs from conquered areas.
This was, for example, the case with Operation Yiftah in eastern Galilee that ushered [einleitete] in a major Palestinian exodus, and Operation Danny in Ramleh and Lydda – both under Allon’s command – where about 6o,0oo Arabs were expelled.
In a lecture [Vorlesung] delivered in June 1950, Yigal Allon had no scruples in admitting that the flight of the Arabs was a positive process. Moreover, our efforts to bring about the evacuation of areas of military importance from its hostile Arab population was not only unavoidable but also justified.
Allon definitely saw the 1948 war as a historic opportunity to change the demographic balance in Palestine and he complained that the opportunity was not fully exploited.
Da wir schon bei Außenministern sind.
Moshe Sharett, der spätere erste Außenminister Israels sagte 1944 in einer Sitzung des Zentralkommittees der Mapai, der Transfer der Araber Palästinas nach Jordanien wäre die Krönung, die abschliessende Stufe unserer (Palästinenser-) Politik:
the crowning achievement, the final stage in the development of our policy
Dass nicht jeder Politiker oder ehemalige Politiker Israels willens ist, die längst bekannten Sachverhalte der Vertreibung so offen auszusprechen wie der Oxford-Historiker Ben-Ami hat naheliegende Gründe.
— Schlesinger
(1) Zit. aus: Shlomo Ben-Ami: Scars of war, wounds of peace, S. 46
(2) Ebd. S. 55
* Umstritten und anhand der Quellenlage noch nicht abschliessend zu bewerten ist lediglich, inwieweit die Vertreibung von langer Hand geplant, schon vor dem Krieg geplant war oder oder ob sie erst im Laufe des Krieges entstanden ist.
Benny Morris, der eine bemerkenswerte Wandlung durchgemachr hat, beschrieb die Vertreibung im Detail, sieht aber keinen “master plan“.
Andere Historiker gehen weiter und sehen die Vertreibung bereits in der Ideologie des Zionismus selbst verwurzelt. Dabei kann man beim wohl prominentesten Kopf des Zionismus anfangen.
Theodor Herzl schrieb am 12. Juni 1895 in sein Tagebuch:**
Den Privatbesitz der angewiesenen Ländereien müssen wir sachte enteignen.
Wir sollten versuchen die arme Bevölkerung dazu zu bewegen das Land zu verlassen, indem wir ihr in den Durchgangsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem eigenen Lande jederlei Arbeit verweigern.
Das Expropriationswerk muss ebenso wie die Fortschaffung der Armen mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen.
Allerdings ist anzufügen, dass sich dieser Eintrag nicht auf Palästina bezog und er an anderer Stelle auch davon sprach, die Rechte der Bewohner unbedingt schützen zu wollen. Aus meiner Sicht geht – nicht nur deswegen – die These von einer im Zionismus begründeten und geplanten Vertreibung der Palästinenser zu weit. Man kann aber sagen, dass in einer breiten Strömung des Zionismus eine nationalistische, kolonialistische Haltung angelegt war, die die spätere Vertreibung begünstigte, wenn nicht sogar nahe legte.
** Der Spiegel hat m.E. nicht sauber zitiert. Aus dem ” We shall try to spirit the penniless population across the
border” machte er “Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen”. Leider habe ich diese Übersetzung auch einmal vorschnell kopiert und in einer Diskussion auf dem Freitag verwendet.