Für Benjamin Netanjahu, den fast schon ewigen Premierminister Israels, muß das ein ganz neues Gefühl sein: Er hat nun einen echten Herausforderer.
Benny Gantz, der vor drei Jahren noch Generalstabschef der israelischen Armee war, hat sich mit einem Schlag zum wichtigsten Konkurrenten von Netanjahu etabliert. Seit er vor wenigen Tagen seine politische Jungfern-Rede gehalten hat, sind seine Umfragewerte nach oben geschossen.
Nachdem ich die Rede gelesen habe bin ich halb optimistisch und halb enttäuscht.
Enttäuscht bin ich, weil mit Gantz in Bezug auf Militär- und Sicherheitspolitik ein Hardliner der alten Schule spricht. Was Benny Gantz zur Sicherheitspolitik sagt, lautet kurz gefasst: Die Araber und Iraner verstehen nur die Sprache der Gewalt.
Also droht er offen die hochgerüste israelische Armee sofort von der Kette zu lassen, wenn jemand es wagen sollte Israel zu nahe zu kommen.
Daneben sollen die Siedlungen sollen weiter ausgebaut werden, Jerusalem ungeteilt zu Israel gehören und ein Rückzug vom Golan nicht in Frage kommen.
Das alles scheint einen Frieden völlig unmöglich zu machen.
Der Hoffnungsschimmer: Wahrscheinlich steht Gantz eher in der Tradition des Generalstabschefs und späteren Premierministers Jitzchak Rabin, als in der Linie des früheren Generals und Premierministers Ariel Scharon. Falls das stimmt wäre eine neue Friedensinitiative, wären neue Wege zu einem Frieden im Bereich des Möglichen.
Benny Gantz, der neue Vater der Nation?
Optimistisch bin ich in Bezug auf die innenpolitischen Verhältnisse in Israel. Sollte Gantz tatsächlich Premier werden kann er eigentlich alles nur besser machen.
Nach allem was man weiß hat Benny Gantz in Sachen Korruption und Vetternwirtschaft eine weiße Weste. Er ist damit das genaue Gegenteil von Amtsinhaber Netanjahu und dessen vulgärer Frau Sarah.
Setzt Gantz auch nur ein Drittel seiner innenpolitischen Versprechen um käme das einer gesellschaftlichen Revolution gleich.
Vor dieser Aussicht hoffe ich, daß Benny Gantz gewinnt und für Israels Gesellschaft eine Politik findet und umsetzt, die wegführt von Spaltung, Propaganda und Monopolistenherrschaft, die zum Markenzeichen Netanjahus wurden.
Aber lesen Sie selbst. [Anm.: Die Zwischenüberschriften und die Kommentare in den eckigen Klammern sind von mir]
Rede von Benny Gantz vom 29. Januar 2019
Liebe Mitbürger Israels:
Liebe Gründer von Hosen L’Yisrael [Gantz’ neue Partei], liebe Freiwillige. Guten Abend.
Ich bin heute Abend hier, weil es für mich außer meiner Familie nichts Kostbareres auf der Welt gibt als den Staat Israel. Ich liebe Israel, bin stolz auf sie und bin ihr tief verbunden. Für mich steht Israel an erster Stelle.
Liebe Mitbürger Israels, ich bin einer von Euch, zu Euch komme ich zurück, und nur Euch bin ich verpflichtet. Das jüdische Volk und der zionistische Staat sind eine großartige Geschichte. Eine Geschichte wie keine andere. Größer als jedes andere Individuum. Größer als jeder Anführer. Wir sind eine Nation. Wir teilen uns eine Flagge, eine Hymne und eine Armee. Ich bin jedoch heute Abend hierher gekommen, weil ich mir auch Sorgen um Israel mache.
Politische Stimmung in Israel vergiftet
Das Volk ist stark. Das Land ist wunderbar. Aber im Land weht ein schlechter Wind. Der Kampf zwischen links und rechts zerreißt uns. Streitigkeiten zwischen Religiösen und Weltlichen spalten uns. Die Spannung zwischen Juden und Nichtjuden bedroht uns. Die gegenseitige Garantie einer gemeinsamen Gesellschaft bröckelt. Die Politik ist hässlich, und die öffentliche Arena ist vergiftet.
Regierung Netanjahu: Teile und herrsche
Ich habe mich eingehend mit der heutigen Führung beschäftigt, die nur auf sich selbst bezogenen ist. Sie ist nicht an Euch interessiert, und auch nicht an uns. Glaub mir, ich bin sehr stolz auf unser Land und werde mich nie dafür schämen. Aber in letzter Zeit sind immer mehr Menschen zutiefst darüber beschämt, sowohl rechts als auch links, auch ich selbst, wie sich unsere Führung verhält. Eine starke Regierung regiert, um zu einen, und regiert nicht, um zu trennen, nur damit sie regieren kann.
Gantz: Einung statt Spaltung
Genau wie Sie glaube ich, dass die Zeit für eine neue Führung gekommen ist. Eine Führung die eine vereinte, geeinte und gemeinschaftliche Gesellschaft schaffen wird. Eine Führung, die sich anders verhält und die anders führt. Eine Führung, die sich nicht vor das Wohl des Staates stellt und die uns nicht von innen heraus schwächt.
Das derzeitige Regime fördert Aufstachelung, Subversion und Hass. Die Grundwerte der israelischen Staatlichkeit wurden in die Machenschaften eines französischen Königshauses verwandelt. Anstatt dem Volk zu dienen, schwebt die Regierung über dem Volk und empfindet das Volk als langweilige Last. Sie sieht weder Arbeiter noch Arbeiterin. Sie sieht nicht die Familien, die unter den Lebenshaltungskosten stöhnen, und sie sieht die jungen Leute nicht, die keine Wohnung kaufen können.
Netanjahu ist nicht der Staat
Es gab schon einmal einen König, der sagte: “Der Staat, das bin ich.” Aber nein. Nicht hier. Kein israelischer Führer ist ein König. Der Staat ist nicht ich. Der Staat bist du. Der Staat ist eigentlich wir. Der Staat besteht aus uns allen.
Ich stehe hier vor Ihnen, vier Jahre nachdem ich meinen Job als Chef des Stabes der IDF [= israelische Armee] beendet habe, und bitte um Ihr Vertrauen den Staat Israel zu führen. Am 9. April werde ich meine geplante Regierung einrichten. Eine kraftvolle Regierung. Eine Regierung, die verantwortungsbewusst handelt, fest und entschlossen. Eine starke Regierung schafft Sicherheit, um Ängste zu beruhigen, und nährt keine Ängste, um ihr eigenes Überleben zu sichern.
Nur die Starken überleben
38 Jahre lang war ich Soldat, Kämpfer und Kommandant. Ich habe harte und mutige Entscheidungen getroffen. Und ich führte Kämpfer über feindliche Linien und ging mitten in der Nacht ans Telefon.
Ich habe den ganzen Weg zurückgelegt von dem kleinen Dorf Kiryat Malakhi bis zum “Heiligsten des Heiligen” von Israels Sicherheit im 14. Stock des Verteidigungsministerium. Daher kann ich Ihnen sagen, dass Sicherheit durch Taten geschaffen wird und nicht durch Worte.
In dem uns umgebenden harten und gewalttätigen Nahen Osten gibt es keine Gnade für die Schwachen. Nur die Starken überleben!
Iran, Hisbollah & Hamas: Hütet Euch!
Präsident Rouhani [des Iran] – Ich weiß sehr wohl, dass Sie vorhaben Israel zu schaden. Ich werde Ihre Pläne im Norden, im Süden und überall sonst im Nahen Osten vereiteln. Ich werde gegen Sie in der internationalen Arena vorgehen, in der wirtschaftlichen Arena und in der militärischen Arena. Und wenn du die Botschaft nicht in Worten verstehst, wirst du sie mit schmerzhaften und präzisen Schlägen verstehen.
An [den iranischen General] Qassem Suleimani und [den Hisbollah-Führer] Hassan Nasrallah – ich habe eine klare Botschaft: Euer Wüten in der Region hat nun ein Ende. Das jüdische Volk hat das Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben, und nicht unter ständiger Bedrohung. Wir bedrohen nicht die Souveränität Teherans oder eines anderen Landes, und wir werden eine Bedrohung der israelischen Souveränität nicht tolerieren. [An den Hamas-Führer] Ahmed Sinwar – ich schlage vor, Sie testen mich nicht noch einmal.
Humanitäre Hilfe für Gaza
Ich werde jede humanitäre Hilfe für die Bewohner von Gaza genehmigen. Ich werde die wirtschaftliche Entwicklung des Gazastreifens unterstützen. Aber ich werde nicht zulassen, dass Schutzgelder kofferweise an mörderische Banden geht und das auch noch schändlich in Schutz genommen wird von krakeelenden Mitgliedern des Kabinetts.
Gezielte Tötung weiterhin eine Option
[Hintergrundinfo zum nächsten Absatz: Ahmad Jabari war führendes Mitglied der Kassam-Brigaden, also des militärischen Flügels der Hamas. Er war wohl verantwortlich für die Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit in 2006. Jabari wurde durch einen israelischen Raketenangriff getötet.]
Die Leiter der terroristischen Organisationen müssen wissen, dass Ahmad Jabari nicht der Erste war und vielleicht auch nicht der letzte sein wird. Seit der Gründung des Staates kennen unsere Feinde das israelische Motto zur Geheimhaltung. Während die anderen [öffentlich] geprahlt haben, haben wir gehandelt. Wo die anderen nur leere Ankündigungen gemacht haben, haben wir geliefert.
Aber in den letzten Jahren hat sich die Situation verdreht. Ich werde unverzüglich die beschämende Praxis beenden, in der unsere Sicherheitspolitik zu einem öffentlichen Rating wurde und sich unsere geheimhaltungsbedürftigen Operationen zu Reality-Shows verwandelt haben.
Sicherheitspolitik muss wieder geheim bleiben
Die Tage der Pressekonferenzen zum Thema Sicherheit sind vorbei. Die Beliebtheit steigt nicht durch Prahlerei, sondern durch Taten. Die Regierung, die wir bilden werden, wird eine nationale Regierung und keine Monarchie sein. Dies wird eine Regierung sein ohne Herren und Diener, ohne obszöne Geschenke und ohne Gerichtsclowns. Sie wird Stärke zeigen gegen unsere Feinde und Israelis verbinden.
Diese Regierung wird Israel und die Israelis an die erste Stelle setzen. Unsere Regierung wird keine heftigen Angriffe auf den Stabschef, den Polizeipräsidenten und den Generalstaatsanwalt erleben [gemeint sind die Angriffe Netanjahus auf die Institutionen, weil sie wegen des Verdachts auf Korruption gegen ihn vorgehen bzw. ermitteln]. Es wird keine Aufstachelung gegen die Justiz-, Kultur- und Medieninstitutionen geben.
Wir werden keinen Hass gegen ein halbes Volk auf der rechten oder linken Seite schüren. Vorbei ist der Tag, an dem die hinterbliebenen Familien von gefallenen Soldaten für politische Zwecke benutzt wurden. Wir haben hier ein wunderbares Land aufgebaut. Ich sehe alles Gute, was es hier gibt, und segne es. Ich lehne diese ganze Bitterkeit, die Gleichgültigkeit und Verzweiflung ab.
Ich glaube von ganzem Herzen, dass wir mit gemeinsamen Anstrengungen Israel im großen Stil wieder herstellen können. Weil die Dinge verändert werden müssen, kann es hier anders werden und es wird anders sein. […]
Zuckerbrot und Peitsche
Unter meiner Führung wird die Regierung Frieden anstreben und keine Gelegenheit verpassen, einen regionalen Wandel herbeizuführen. Das hat der israelische Patriot Menachem Begin getan, der ein Friedensabkommen mit Ägypten unterzeichnet hat. […]
Wenn sich jedoch herausstellt, dass es zu diesem Zeitpunkt keinen Weg zum Frieden gibt, werden wir eine neue Realität gestalten. […]
Siedlungen sollen gestärkt werden
Wir werden die Siedlungsblöcke und die Golanhöhen stärken, aus denen wir uns nie zurückziehen werden. […]
Bildungsoffensive für Israel
Ich schaue Euch direkt in die Augen und sage: Ich werde nie den Schmerz von Kindern ignorieren, denen nicht die Möglichkeit zum Träumen gegeben wurde, nur weil sie hineingeboren wurden in Gehalts- und Status-Unterschiede zwischen ihren Eltern und anderen Eltern in wohlhabenden Gebieten. Ich werde eine Revolution der Gleichstellung und Exzellenz im Bildungssystem anführen. Ich werde eine deutliche Wende in der Förderung der frühkindlichen Bildung und eine dramatische Veränderung des Status von Lehrern und Lehrern einleiten. […]
Lebenshaltungskosten müssen gesenkt werden
Den Familien, die ich jede Woche im Supermarkt sehe – ich verspreche, dass ich die beschämend hohen Preise, die uns zu einem der teuersten Länder der westlichen Welt gemacht haben, nicht akzeptieren werde. Von nun an ist die Zeit der wettbewerbsverzerrenden Monopole vorbei. […]. Das Gleiche gilt für die tiefe Immobilienkrise. […]
Gesundheitswesen muss saniert werden
Ich sehe die Mutter, die mit ihrem Sohn 7 oder 8 Stunden lang auf den Notfallarzt wartet. Ich sehe, wie der Großvater oder die Großmutter in die Gänge der Abteilung für Innere Medizin geworfen wird, und ich schäme mich. Nicht jeder hat Geld für einen Privatarzt oder eine Luxusversicherung. In Israel gibt es einen dramatischen Mangel an Ärzten und Betten. Deshalb werde ich den Ausnahmezustand im Gesundheitswesen ausrufen und einen sofortigen Anreiz für medizinische Studien schaffen. Wir werden ein weiteres Krankenhaus im Norden und ein weiteres Krankenhaus im Süden errichten und bestehende Krankenhäuser ausbauen, um die Belastung zu verringern. […]
Volle Gleichberechtigung
Wir werden gegen die Ausgrenzung von Frauen und die Gewalt gegen Frauen kämpfen. Wir werden alle Glasdecken zerschlagen, die Frauen an der Gleichstellung hindern. Wir werden der schwulen Gemeinschaft die vollen Rechte gewähren, die allen Staatsbürgern gewährt werden. […]
Der 2.000 Jahre alte Traum ist es, ein freies Volk in unserem Land zu sein, dem Land Zion und Jerusalem.
[ Die volle Rede finden Sie auf der Haaretz auf englisch hier.]
— Schlesinger
Übersetzung aus dem Englischen durch mich, mit freundlicher Unterstützung durch den deutschen online-Übersetzungsdienst DeepL, den Sie dem Google Übersetzer vorziehen sollten. Erstens ist er mindestens genauso gut, zweitens gehört dieser Dienst nicht zum ReichsDatenHauptsicherheitsAmt namens Google.
Photo: Von Israel Defense Forces – 20th Chief of Staff, Lt. Gen. Benny Gantz, CC BY 2.0, Wikimedia