Keine Ermutigung ist deprimierender als die Ermutigung, die aus völliger Unkenntnis resultiert. Sie ist bloß gut gemeint.
Das ist vielleicht nett im privaten Bereich, wo einem eine kleine Aufmunterung schon weiter helfen kann. Im politischen Bereich ist es nicht ganz so einfach. Vor allem wenn schwache Parteien in der politischen Arena jahrzehntelang nicht viel mehr als Ermunterung erfahren haben, wenn überhaupt.
Was ein Palästinenserpräsident bestimmt nicht braucht ist eine kleine Aufmunterung “unter Freunden”.
Westerwelle, weithin bekannt als fundierter Kenner der Lage im Nahen Osten hat Mahmoud Abbas empfangen und ihn “ermuntert” – wie Agenturen und manche Medien völlig ironiefrei berichten – die Verhandlungen mit den Israelis fortzuführen, weil dies der beste Weg sei zu einer Zweistaatenlösung.
Ach. Guido. Da könnte sogar meine olle alte Tante Frieda während dem Krautwickel-Wickeln Erhellenderes sagen…
Und dann muss der arme Abbas auch noch zu unserem Wuff Präsidenten Wulff. Als hätte er nicht schon genug Sorgen.
Mut und Weitsicht und Kompromissbereitschaft !
Der Christian meinte zu Mahmoud mit dem herzlichen Joker-Lächeln, das er nur ganz ganz selten zeigt, er müsse in den Verhandlungen Mut, Weitsicht und so weiter zeigen.
Damit hat er dem Palästinenserpräsidenten “den Rücken gestärkt”, meint jedenfalls der SPIEGEL.
Wulff: Netanjahu ist ein Lügner !?
Im Zuge dieser beiden Treffen kursierte im Internet die dreiste Lüge, Christian Wulff habe gegenüber Mahmoud Abbas geäußert der israelische Premierminister Netanjahu sei “Lügner” den er “nicht ausstehen” könne.
Hier haben sich manche einen Scherz erlaubt und Wulff den Satz in die Schuhe geschoben, den tatsächlich Frankreichs Präsident Sarkozy gegenüber US Präsident Obama geäußert hat.
Viel brisanter allerdings ist – wie kolportiert wurde – eine kurze Unterhaltung zwischen Wulff und Abbas im tete-a-tete.
Demzufolge hat sich Präsident Wulff jenseits aller diplomatischen Beschränkungen ermannt mit Abbas “Tacheles” zu reden.
Wulff soll Abbas zugeraunt haben:
Wir müssen nicht Versteck spielen.
Ich bin gut informiert über die Absichten und Hintergründe des israelischen Premier Netanjahu.
Wer kennt nicht dessen Autobiografie “A Place among Nations” ?
Bitteschön. Dort schreibt er doch in unzähliger Wiederholung, dass er die Westbank, also “Judäa und Samaria” nie aufgeben würde.
[ Wulff kramt in seiner Tasche, fischt einen kleinen Merkzettel heraus, ein bisschen stolz errötet]
Hier, Mister President, ich habe mir die Worte Netanjahus heraus schreiben lassen:
the truth is that for Israel to protect its cities, it must retain military control over virtually all the territory west of the Jordan river. […]
Carving Judea and Samaria out of Israel means carving up Israel.
Dass der Mann nie und nimmer freiwillig die Westbank aufgibt, in dem im wesentlichen Ihr künftiges Palästina sein soll, ist doch klar. Das mit der Zweistaatenlösung ist damit Quatsch, verzeihen Sie, wenig realistisch. Also müssten wir ganz andere Hebel ansetzen. Aber ich sag Ihnen ganz offen: Wir Deutsche können da nur indirekt wirken. Sie wissen warum. Und ob unsere europäischen Freunde in der Mehrheit Druck auf Israel ausüben werden, das möchte ich bezweifeln. Präsident Obama würde gerne mehr tun, aber er hat seine Lektion wie wenig Macht der amerikanische Präsident in Sachen Israel hat auf die ganz harte Tour lernen müssen. Deshalb können wir Ihnen nicht viel mehr als schöne Worte bieten. Oh, Vorsicht, lächeln, hier kommen die Journalisten!
Leider kann dieses Gespräch nicht zuverlässig bezeugt werden.
Vielleicht hat es im schlimmsten Fall auch nie stattgefunden.
Was bedeuten würde: Im schlimmsten Fall ist die Realität der schlimmste Fall.
— Schlesinger
PS.: Faktisch richtig am fiktiven Gespräch Wulff-Abbas ist der Hinweis auf die Netanjahu-Autobiografie. Das angeführte Zitat findet sich auf S. 284, 287, Bantam Books 1993