Jerusalem ist in Aufruhr. Seit Wochen. Palästina steht vor einem neuen Krieg. Die Lage ist verstörend.
Verstörend ist auch die Berichterstattung unserer Presse.
Von Arabern zerhackt
Unsere Medien berichten wie üblich von palästinensischen Anschlägen und palästinensischen Terroristen. Und wenn in der Qualitäts-Presse nach einem Gazakrieg über palästinensisches Elend geschrieben wird, dann gerne auch in einem Kolonialherren-Ton.
Das ist nur der gemäßigte Teil unserer Presse.
Der FOCUS ging kürzlich ein Stück weiter. Er hat die Perspektive auf die Moslems erweitert, und dazu auf einer düsteren Titelseite vor der Dunklen Seite des Islam gewarnt. Im Beitrag wurde das Thema auf propagandistische Art “belegt”. Die Publizistin Lamyya Kaddor hat das zurecht als “geistige Brandstiftung” bezeichnet.
Der FOCUS bedient indirekt die Propaganda-These von Israels Ministerpräsident Netanjahu, der kürzlich erklärte Hamas sei dasselbe wie ISIS. Die Aussage von FOCUS & Netanjahu lautet übersetzt für die ganz schlichten Gemüter: Alles radikale, bösartige Moslems.
Schlechter als beim FOCUS geht es nur noch auf den einschlägig bekannten rechtsradikalen Internet-Blogs. Oder auf christlichen Seiten.
Wenn zum Beispiel der “Israel-Experte” des Christlichen Medienverbundes KEP namens Johannes Gerloff über den letzten palästinensischen Anschlag auf eine Synagoge vermeintlich kühl räsoniert:
Auch beim Massaker in Hebron 1929 wurden Juden von Arabern zerhackt, insofern ist das keine komplett neue Situation.
Seit das jüdische Volk existiert, gibt es Leute, die versuchen, es auszulöschen.
Der Christ Gerloff benötigt keine Zusammenhänge, will nichts von Details wissen oder von einer verstörenden Vorgeschichte des Synagogen-Anschlags; wenn jemandem wie Gerloff solche Einzelheiten zugemutet werden, werden sie kurzerhand als “Lügen der radikal-islamistischen Hamas” abgetan, die dazu dienen, den “Hass der Palästinenser” weiter zu schüren.
“Radikal-islamistisch” darf übrigens nie fehlen in der medialen Dauerberieselung, die verführerisch auf uns “kritischen Leser” niedergeht, und die ihre Wirkung auf die Masse tatsächlich nicht verfehlt.
Radikale jüdische Siedler offiziell Terroristen
Wie kommt es, dass der real existierende Terror jüdischer Extremisten, diese andere Seite des Nahostkonflikts, fast ganz ausgeblendet wird?
Wie oft liest man in deutschen Blättern über die andauernden Gewalttaten rechtsradikaler jüdischer Siedler?
Die radikalen Siedler und die fanatische sogenannte “Hügel-Jugend” als ihre Speerspitze terrorisieren die Palästinenser der Westbank seit vielen Jahren, systematisch, beinahe täglich, mit allen Mitteln:
Sie brennen Weizenfelder ab, verwüsten Olivenhaine, zünden Fahrzeuge und Häuser und Moscheen an, schmieren faschistische Parolen, verprügeln Bauern, Jugendliche und Kinder, und sie schießen auch gerne: denn jüdische Siedler dürfen Waffen tragen, im Gegensatz zu den Palästinensern. Im Zweifelsfall steht die israelische Armee bereit, um schießwütige Siedler vor aufgebrachten Palästinensern zu schützen.
Wegen dieser fortgesetzten massiven Gewalt steht diese Gruppierung von Siedlern seit Jahren auf der offiziellen Terrorliste des amerikanischen Außenministeriums. Klare Worte hat der weltberühmte Autor Amos Oz gefunden. Die Leute, die hinter diesen Angriffen stehen seien “hebräische Neo-Nazis“; das gelte auch für deren nationalistisch-rassistische Unterstützer unter Knesset-Abgeordneten und Rabbinern.
Die gewaltbereiten Siedler der arabischen Westbank benötigen keinen besonderen Anlaß, um ihre Taten zu begehen. Die schiere Existenz von Palästinensern auf “ihrem” Land genügt als allgemeiner Anlaß.
Von der amerikanischen Terrorliste, die die Siedler listet, oder von den harten Worten* linker Israelis hat man noch nichts gehört?
Kein Wunder, denn unsere Presse schweigt gerne zu jener Art des Terrorismus, oder berichtet nur selten oder allenfalls verschämt. So der SPIEGEL über die Hügel-Jugend, in einem Bericht vor fünf Jahren (!), der sich liest wie eine Pfadfinder-Geschichte.
Was man uns jahrein-, jahraus lehren will ist im wesentlichen dies: Die radikalen Palästinenser gönnen Israel keinen Frieden.
Die Dritte Intifada kommt
Der israelische Soziologe Moshe Zuckermann gehört wie Amos Oz zu den wenigen Stimmen in Israel, die es besser wissen; die nicht den Mund halten wenn Israels Rechte gegen “die Araber” hetzt, und die nicht schweigen, wenn Israel schon wieder seine kolossale Kriegsmaschine auf Gaza oder die besetzten Gebiete loslässt.
Während des vorletzten Gaza-Kriegs 2012 schrieb Zuckermann:
Israel hat kein Interesse an der Beilegung des Palästina-Konflikts […].
Es will weiterhin die Quadratur des Kreises: die Okkupation und ruhige Grenzen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es wieder zu einem Zusammenstoß kommt. Und zwar nicht nur mit Gaza.
Eines Tages werden die Leute im Westjordanland die Schnauze voll haben, und es wird eine dritte Intifada geben.
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* Ausnahmen: TAZ, interessanterweise DIE WELT; der FOCUS hat die Äußerungen Oz’ unkommentiert vom dpa-Ticker übernommen: Eine Einordnung ist für den unbedarften Leser daher kaum möglich. Die FAZ berichtet über radikale Siedler, die im Laufe des Beitrags nicht mehr gar so radikal erscheinen; die FAZ zitiert den Sprecher der berüchtigten Siedlung Jitzhar. Den ärgere, “dass alle Welt die Palästinenser wegen „ein paar an Mauern gesprühter Graffities“ bemitleide. Die FAZ lässt die Aussage sträflich ungewichtet und unbewertet stehen. In Wahrheit beschränken sich die Handlungen der Siedler keineswegs auf Graffities. Die FAZ betreibt hier Fehlinformation durch Auslassung.