In unserem Esszimmer (soll heißen: das Restaurant, das wir besuchen, wenn wir zu träge zum Kochen sind) gab es heute Falaffel mit gemischtem Salat. Sie waren ausgezeichnet.
Falaffel sind diese köstlichen frittierten Bällchen aus Kichererbsen-Schrot.
Seit einer halben Ewigkeit hatte ich keine mehr.
Zum ersten mal habe ich Falaffel in Jerusalem gegessen.
Im ganzen Land konnten wir viele probieren, aber ich glaube direkt hinter dem Damaskustor in Jerusalem gab es die besten.
Obwohl die Situation damals nicht gerade einladend war. Das war 1990.
Falaffel und Intifada
Die Erste Intifada war noch in vollem Gang. Das spürte man auf den Straßen und Plätzen. Überall war Polizei und Militär.
Am Tag unserer Ankunft in Jerusalem stolperten wir unvermittelt in einen Bombenalarm.
Wir liefen durch die Ben-Jehuda-Straße, als plötzlich große Hektik aufkam. Alle Leute fingen zu laufen. Wir schauten nur verdutzt, und erst durch durch den Zuruf eines Passanten “Run, run!” fingen auch wir an zu rennen.
Aus größerer Entfernung – ich hatte mittlerweile die Videokamera herausgeholt – beobachteten wir die Szenerie. Es dauerte keine 5 Minuten bis ein Spezial- Einsatzkommando der israelischen Polizei vor Ort war.
Zwei schwer gepanzerte Polizisten näherten sich einem herrenlos abgestellten Koffer, der neben einer Sitzbank platziert war.
Über circa zehn Minuten untersuchten sie den Koffer mit nicht technischen Gerätschaften, bis sie schließlich aufstanden, ihren Helm abnahmen und in Richtung Passanten Entwarnung gaben.
Kurz darauf war ging das Völkchen auf der Straße ging dem munteren Treiben nach. Schließlich war Freitag abend und somit der Beginn des Sabbath. Damals war das wie eine Erfahrung vom anderen Stern.
Soldaten am Damaskustor
Am Damaskustor waren jeden Tag mindestens ein Dutzend schwer bewaffnete israelische Soldaten im Einsatz. Schwerbewaffnet heißt: Amerikanisches M-16 Schnellfeuergewehr, Schutzwesten und Nebelgranaten.
Im Bild sehen Sie eine Menge von Palästinensern, die sich langsam vorwärts schiebt. Das Damaskustor als eins der Tore, die in die die Jerusalemer Altstadt führen, ist zu allen Tageszeiten starkt frequentiert. Die Passanten wurden von sehr jungen und forschen israelischen Soldaten überwacht.
In unregelmäßigen Abständen wurde ein Palästinenser auf die Seite genommen und durchsucht beziehungsweise befragt.
Diese Szenen hatten stets etwas Rabiates, Überhebliches an sich. Was sonst? Was kann anderes erwartet werden, wenn man 20-jährigen Schwerbewaffneten die Macht über andere Personen jeglichen Alters und beiderlei Geschlechts gibt?
Ist man aber durch dieses Tor hindurch gekommen, hat einen unmittelbar dahinter das Falaffel-Paradies erwartet: Ein monströser Fritiertopf mit geschätzen 25 Litern köstlich duftendem Sesamöl simmerte vor sich hin und hat die Teigbällchen rösch gebraten, die zwei junge Araber in unglaublicher Geschwindigkeit mit einer Art Eiszange formten, ins Öl beförderten und mit einem großflächigen Käscher heraus fischten.
Das Ganze wurde zusammen mit einer knackig-frischen Salat- / Gemüsemischung in einem Weizenfladen gewickelt und mit einer hot sauce versehen. Wie immer: Zum Altstadt-Einheitspreis von 1 Schekel. Das war damals ziemlich genau 1 DM. Äußerst lecker. Für einen Moment hatte man die Intifada vergessen.
— Schlesinger
Photo: T.A.B. (c)