“Dreißig Minister und acht stellvertretende Minister umfasst die neue israelische Koalitionsregierung unter Benjamin Netanjahu.
Allein die Größe des Kabinetts zeigt, was die Regierung besonders auszeichnen wird: Manövrierunfähigkeit.
Von egozentrischen Nationalreligiösen über unberechenbare Rechtspopulisten bis hin zu wankelmütigen Sozialdemokraten hat sich am Kabinettstisch vieles versammelt, was nicht zusammengehört. Für den Friedensprozess verheißt das nichts Gutes.” Mit diesem Paukenschlag eröffnet Marcus Pindur von Deutschlandradio Kultur seine Kritik an der neuen Regierung Netanjahus. Der Beitrag lässt nicht viel Optimusmus aufkommen und schließt daher: “Was im Endeffekt bleibt, ist die Hoffnung auf diplomatischen Druck der USA. Und: die Hoffnung auf ein schnelles Scheitern der Regierung Netanjahu.”
Woher auch sollte der Optimismus kommen? Bereits im Rahmen der Ernennungszeremonien erteilte der rechtsradikale Avigdor Lieberman allen bisherigen Friedensverhandlungen eine schroffe Absage. Die in der Ägide Bush jr. ausgehandelten Vereinbarungen von Annapolis (2007), die bis Ende 2008 die Realisierung eines Palästinenserstaates vorgesehen hatten, sind Lieberman zufolge niemals ratifiziert worden und damit null und nichtig.
Lieberman scheint sich als einer zu verstehen, der aus der falschen Appeasement-Politik des früheren britischen Außenministers Chamberlain gegenüber Hitler gelernt hat. Und so trompetet er, dass Nachgiebigkeit keinen Dank oder Respekt bringen würde, sondern das Gegenteil. Daher würden diejenigen, die Frieden durch Nachgiebigkeit wollten, nur Krieg bekommen:
“Those who think that through concessions they will gain respect and peace are wrong,”
Mr. Lieberman said during a handover ceremony at the Foreign Ministry.
“It is the other way around; it will lead to more wars.”
Der Sondergesandte des sogenannten Nahost-Quartetts, Tony Blair, zeigte sich daher auch nur bedingt diplomatisch, als er just äußerte, der Frieden vor Ort sei “in sehr großer Gefahr”. Dabei mochte Blair den israelisch-palästinensischen Konflikt, die seit Samstag mit Vehemenz geführten erneuten Luftangriffe Israels gegen den Gazastreifen mit bereits 380 Toten, aber wahrscheinlich noch mehr einen drohenden israelisch-iranischen Schlagabtausch vor Augen gehabt haben.
Denn Netanjahu wurde während des Wahlkampf und danach nicht müde zu betonen, er würde einen mit Atomwaffen ausgerüsteten Iran nicht zulassen. Im Mai reist Netanjahu nach Washington, um Präsident Obama davon zu überzeugen, alle Optionen gegen den Iran offen zu halten. Die Prioritäten am Potomac allerdings sind inzwischen andere und Obama wird nicht die einseitig brachiale Politik Bushs fortsetzen, bevor er nicht ernsthafte Versuche unternommen hat, mit dem Iran zu einem Ausgleich zu kommen.
Müde wirkte im Gegensatz zu “Bibi” der israelische Präsident Schimon Peres während den Ernennungsfeierlichkeiten. Sehr müde.
— Schlesinger