Der britische Telegraph berichtet unter Berufung auf gut informierte US Geheimdienstkreise von geheimen israelischen Aktionen gegen das Atomprogramm Teherans. (Vgl. SZ)
Demnach soll Jerusalem mit verschiedensten Methoden darauf hinwirken, den Iran von einem frühzeitigen Abschluss seiner nuklearen Entwicklungsarbeiten abzuhalten.
Dazu gehörte anscheinend auch der Tod des leitenden iranischen Forschers Ardeshire Hassanpour, der bereits im Jahr 2007 unter mysteriösen Umständen bei einem “Gasunfall” ums Leben kam. Hinter diesem Vorfall könnte der Mossad stecken, berichtet der Telegraph, und wird dabei assistiert vom israelischen Journalisten Yossi Melman von der Tageszeitung Haaretz.
Melman meint, es gäbe für Israel schließlich eine ganze Reihe von Optionen jenseits eines Militärschlags, um die iranische Atompolitik empfindlich zu stören. Dazu gehören Dinge wie Bestechung, Erpressung, Rufmord, Tötung oder die Veröffentlichung von geheimdienstlich erlangten Erkenntnissen, um das iranische Programm nicht als ziviles, sondern als militärisches Programm darzustellen.
Hat Bush Jerusalems Geheimdienstaktivität gegen den Iran in 2007 ausgebremst?
Die Nachrichtenlage hinsichtlich des Todes von Hassanpour wirft die Frage auf, ob Washington die Regierung Olmert auflaufen ließ, um sie von weiteren allzu aggresiven Schritten gegenüber dem Iran abzhalten.
Der iranische Auslandssender Radio Farda sendete zum Tod des Forschers, er sei unter “mysteriösen Umständen” eingetreten (“mysterious circumstances”).
Radio Farda wird allerdings vom US Außenministerium finanziert. Zufällig wurden anschließend aus dem Geheimdienstumfeld Washingtons Hinweise gestreut, wonach starke Indizien darauf hinwiesen, dass der Mossad die Tötung vorgenommen habe:
An intelligence source suggested that Hassanpour, 44, a nuclear physicist, had been assassinated by Mossad.
Hassanpour worked at a plant in Isfahan where uranium hexafluoride gas is produced.
The gas is needed to enrich uranium in another plant at Natanz, which has become the focus of concerns that Iran may be developing nuclear weapons.
Zu welchem Zweck sollte die Regierung Bush derartig für Israel bloßstellende Aussagen zulassen, wenn nicht dazu, im Mittleren Osten keine zusätzliche Front entstehen zu lassen?
Immerhin war 2007 ein äußerst heikles Jahr im Irak. Insofern schien die Not Washingtons, die Lage in Arabien irgendwie unter Kontrolle halten zu müssen, größer gewesen zu sein als das Mißtrauen gegenüber Teheran beziehungsweise die sonst übliche Loyalität israelischer Sicherheitspolitik.
Wie Henry Kissinger sinngemäß sagte: Wo es die eigenen Interessen zwingend erfordern, muss die Freundschaft zu einer anderen Nation ihr Ende haben.
Während die obige Aktion Bushs “gegen” Israel aus der Not heraus entstand, dürfte Obama daraus eine reguläre Politik machen: Das als vorrangig erklärte Ziel von Verhandlungsbemühungen mit Teheran erlaubt es nicht, Jerusalem an der langen Leine laufen zulassen, gerade und weil Obama die dortige Gemütslage kennt: “Einen Angriff auf Iran aber haben Netanjahu und Lieberman im Wahlkampf für notwendig erklärt, falls Iran den Bau seiner angeblich geplanten Atombombe ungehindert fortsetzen könne.”
Existierte Ardeshire Hassanpour?
Teheran versuchte die Angelegenheit Hassanpour als null und nichtig dazustellen. Zum einen sei Israel nicht in der Lage, nennenswerte Operationen im Iran durchzuführen (was zutreffen könnte), zum anderen habe es einen Forscher namens Hassanpour nie gegeben, so der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde Gholamreza Aghazadeh. Das sind unabhängig vom Wahrheitsgehalt zwei taktisch naheliegende Varianten: a. die Israelis sind unfähig, b. sie – bzw. die USA – sind daher genötigt, auf Falschdarstellungen zurückzugreifen.
Geht man allerdings von den Motiven Israels aus (die Anlagen zu be-/verhindern), wird Jerusalem derlei Aktivitäten durchaus durchführen wollen. Daher gilt: Selbst wenn es den Mord an Hassanpour “mangels Person” nie gegeben hat, hat es die inoffizielle Warnung Washingtons an die Adresse Israels gegeben. Das nun ist eine Tatsache und hinsichtlich ihrer Funktion höchst relevant.
— Schlesinger