Jimmy Carter ist spätestens mit Herausgabe seines Buches “Peace, not Apartheid” als Kritiker der israelischen Palästinenser-Politik bekannt geworden.
Anhand der Kritik an Jimmy Carter lässt sich gut ablesen, wie man mit solcher Kritik umgeht.
Beispiel: Mona Charen vom Nationalreview verfasste seinerzeit unter dem Titel
Brave Jimmy Carter?
It takes courage to criticize Israel?
eine Buch- oder genau genommen eine Personenbesprechung.
Den Einstieg macht ein hübscher Rundumschlag: “The man has a seemingly unerring instinct for error.”
Warum hat nach Meinung von Frau Charen der Mann einen “untrügerischen Instinkt für Fehler”?
Weil er seinerzeit die Gefahren des Kommunismus heruntergespielt habe und weil er sich nicht gegen den Antrag in den UN aussprach, Zionismus mit Rassismus gleichzusetzen.
Der erste Vorwurf fußt auf dem beliebten und höchst unfruchtbaren Was-wäre-wenn Muster.
Was wäre passiert, wäre die Politik Carters länger fortgeführt worden und hätte nicht Reagan seine Politik der Totrüstung betrieben? Niemand weiß es, niemand kann es wissen, weil es Spekulation in Reinstform ist. Mona Charon verwendet offenkundig eine Spekulation als Argument. Sie hätte sich dabei gut an harte Fakten halten können: Es war Carter, der in 1979 das eminent wichtige Rüstungsabkommen SALT-II mit den Sowjets zustande brachte.
Beim zweiten Vorwurf kann man sich trefflich darüber streiten, ob Zionismus einem Rassismus gleichzusetzen ist.
Es kommt darauf an, über welchen Zionismus man spricht. Den historischen als Idee? Den konkreten historischen in den Anfangsjahren der jüdischen Einwanderung nach Palästina? Den heutigen “offiziellen”, der sich nach wie vor um Einwanderung von Juden vor allem aus ehemaligen UdSSR-Staaten und aus dem arabischen Raum bemüht? Oder über den Zionismus, wie er von den Siedlern verstanden und mit Hilfe des Militärs in der Westbank praktiziert wird?
Angesichts dieser nur höchst grob skizzierten Varianten bietet sich durchaus genügend Diskussionsstoff. Für Kritik-Abprallkünstler wie Frau Charen wird das mit einem vorwurfsvollen Schwung beiseite gefegt. Der Antrag in der UN ist von vornherein schlicht “schändlich”:
“the shameful Zionism Equals Racism resolution”.
Was aber schändlich ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. Basta.
Im weiteren zerpflückt die Rezensentin einzelne Buchstellen, um die scheinbar verzerrenden Darstellungen Carters offenzulegen. Das könnte man im Einzelnen durchaus besprechen.
Man hat aber gar kein Interesse daran, weil Frau Charon wortreich das Kunststück schafft, in ihren Entgegnungen einen großen Bogen um die Kernthese Carters zu machen:
Die israelische Apartheidspolitik fußt nicht auf Rassismus, wie es in Südafrika der Fall war, sondern auf dem Interesse der jüdisch-orthodoxen Siedler am Landraub im palästinensischen Westjordanland, das sie Judäa und Samaria nennen.
Eine alte und bisweilen noch immer wirksame Methode, eine Kritik imposant aussehen zu lassen: Man ignoriert die heiklen Punkte, spricht nur über die, über die man sprechen möchte und tut sein Bestes, sie als die wesentlichen Aspekte erscheinen zu lassen.
Falls auch das nicht hilft, helfen pauschale Unterstellungen: Wer Israel kritisiert (Sammelbegriff: Israel – basher), hat ohnehin nur niedrige Absichten oder ist ein gefährlicher Araber-Freund.
Ist Carter ein Antisemit?
Diese Frage ist nur eine grobe Verleumndung, weswegen man sich gar nicht auf sie einlassen möchte.
Wichtiger ist doch dies: Für geschätzte 95% der Siedler dürfte er viel mehr sein als ein Antisemit: Der Erzfeind. Womit man wieder bei der eigentlich zentralen Frage wäre, die Frau Charon zu umgehen versuchte: Was machen die Siedler und wie ist das zu beurteilen?
— Schlesinger
(Photo: Durchbruch im Nahen Osten. Unter Leitung von Präsident Carter gelang in Camp David der erste und bislang einzige israelisch-arabische Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten)