Versetzen Sie sich in die Lage der israelischen und iranischen Oberkommandos.
Auf beiden Seiten stellt man sich auf einen israelischen Angriff gegen das iranische Atomprogramm ein.
Das militärische Szenario wird ein Schlagabtausch in der Luft sein: Israel wird die iranischen Atomanlagen bombardieren und versuchen, so viele Raketensysteme wie möglich auszuschalten.
Iran wird im Gegenzug versuchen Israel mit möglichst vielen Raketen zu treffen. Dazu wird Teheran vor allem seine Shahab-3 mit einer Reichweite von ca. 1300 km einsetzen.
Die modernen israelischen Abwehrsysteme Iron Dome, Arrow TMD und MIM-104 Patriot haben eine enorme Abwehrleistung. Das Iron Dome System soll zuletzt eine Abfangquote von über 90 Prozent erreicht haben. Israelische Experten behaupten, die etwa 300-400 iranischen Shahab-3 seien keine große Gefahr. Schwerer einzuschätzen ist die Bedrohung durch die weitreichenden Sejjil Raketensysteme.
Die Leistungsfähigkeit der israelischen Abwehrsysteme wird den Iranern bekannt sein. Wie kann man dem Feind angesichts von Iron Dome & Co. nennenswerten Schaden zufügen? Indem man die eigenen begrenzten Kapazitäten nicht vorzeitig verschwendet und indem man andererseits Israel dazu bringt, ihre Kapazitäten möglichst früh zu verbrauchen und sie nötigt, ihre Systeme möglichst verstreut einzusetzen.
Das ließe sich erreichen, indem die iranischen Verbündeten Hisbollah und Hamas eine große Zahl ihrer Raketen abfeuern. Während Hamas und die militanten Splittergruppen in Gaza über keine besonders gefährlichen Systeme verfügen dürften, geht von der Hisbollah eine andere Gefahr aus. Deren Führer Scheich Nasrallah hat unlängst getönt, er könne Israel mit Präzisionsraketen treffen. Nachdem die Hisbollah bereits im Libanonkrieg von 2006 eine israelische Korvette des Typs Saar-5 mit einer Cruise Missile vermutlich chinesischer Herkunft schwer getroffen hat sind solche Drohungen ernst zu nehmen.
Schlag gegen Hisbollah: Auftakt zum großen Krieg
Aus diesen Gründen liegt für die israelische Militärführung nahe, die Gefährdung durch die Hisbollah schon vor einem Schlagabtausch mit dem Iran auszuschalten.
Dafür liefert die derzeitige instabile Lage im Libanon einen geeigneten Anlaß. Zum einen strömen aus dem benachbarten Syrien nicht überschaubare Mengen an Mensch und Material in den Libanon. Längst befürchtet Israel, dass Waffen und Munition ungehindert ins Nachbarland gelangen.
Zum anderen finden im Norden Libanons derzeit bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen sunnitischen und alewitischen Milizen statt. Die libanesische Armee hat eine größere Anzahl Einheiten aus dem ganzen Land in den Norden verlegt, um der Lage Herr zu werden. Das wiederum führt aus Sicht Israels zu einer weiteren Stärkung der Hisbollah-Milizen, die seit langem den Süden des Libanon dominieren. Ein Angriff auf die Hisbollah wird dabei nicht der Logik des Krieges von 2006 folgen. Man wird sich nicht auf einen mühsamen Bodenkrieg einlassen, sondern die Luftwaffe in kurzer Zeit möglichst viele Angriffe fliegen lassen.
Vor kurzem hat Premierminister Netanjahu der libanesischen Regierung mitteilen lassen, dass Israel jede Provokation der Hisbollah mit einem Schlag gegen den Libanon beantworten werde. Nach Angaben des israelischen Geheimdienstes schmuggelten unlängst Hisbollah-Kämpfer C4-Sprengstoff nach Israel hinein. Das ist in den Augen Jerusalems eindeutig eine Provokation.
Sollte in absehbarer Zeit ein größerer Angriff auf den Südlibanon erfolgen, wird der große Schlag gegen den Iran nicht lange auf sich warten lassen.
— Schlesinger
Photo: Iranisches Fernsehen, via FAS
Karte: BBC
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