Ein Interview der linken Zeitung Neues Deutschland (ND) mit dem israelischen Soziologen Moshe Zuckermann beginnt mit einem Paukenschlag Zuckermanns:
Israel betreibt seit Jahrzehnten eine Okkupationspolitik,
alleine das rechtfertigt eine scharfe linke Israel-Kritik,
die nichts mit Antisemitismus zu tun hat.
Zuckermann ist Sohn deutsch-jüdischer Überlebender des Holocaust und leitete unter anderem von 2000 bis 2005 das Institut für Deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv.
Zuckermann plädiert zunächst für sprachliche Klarheit. Man müsse unterscheiden zwischen Israel-Kritik, Antizionismus und Antisemitismus.
Ohne Umschweife adressiert der Wissenschaftler die vermeintlichen Israel-Freunde hierzulande, die jegliche Israelkritik aus allzu offenkundigen Gründen als Antisemitismus abtun wollen. Deren Position sei inzwischen zu einem “Fetisch”, zu einer Ideologie verkommen.
Als Protagonisten dieser Haltung benennt Zuckermann die Publizisten Henryk M. Broder (ein “Zyniker”) und Ralph Giordano (ein Schreier mit “rassistisch-islamophobem Einschlag”).
Der für seine hemmungslos schrillen Beiträge bekannte Henryk Broder erhielt in 2007 den ansonsten respektablen Ludwig Börne Preis der Stadt Frankfurt.
Der Literatur-Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und nach dem jüdischen Schriftsteller, revolutionären Demokraten und politischen Journalisten Ludwig Börne (1786-1837) benannt. Der Juror, der in 2007 über die Vergabe entschied, war Focus-Chef Helmut Markwort. Man muss sich deshalb nicht allzusehr wundern, warum Broder den Preis erhielt, obwohl er doch sagenhaft deplatziert erscheint neben so respektablen Preisträgern wie Joachim Kaiser, Joachim C. Fest oder Rudolf Augstein.
Broder, so viel kann man nach etwa einer Viertel Seite eines beliebigen Textes aus seiner Feder erkennen, lebt vom Großsprechen. Zu Beginn der Preisverleihung kalauerte er stolzgeschwollen, dies sei “ein großer Schritt für mich in Richtung der Hall of Fame der großen Geister”.
“Der großen Geister”? Das kann wirklich nur einem herausrutschen, der zwar bei den St. Pauli Nachrichten und dem Pardon als Schreiberling sozialisiert wurde, sich aber dennoch einbildet, der Welt Großes vortragen zu können.
Moshe Zuckermann sagt dem Neuen Deutschland (ND):
MZ: [wenn] man bedenkt, dass Henryk M. Broder den Ludwig-Börne-Preis bekommt, dann schäme ich mich als Jude.
Wenn er und andere Juden seines Schlags die Repräsentanten des deutschen Judentums sind, dann möchte ich mit diesem Judentum nichts zu tun haben. […]
ND: [Broder] der im Bundestag zum Thema Antisemitismus in Deutschland sprach und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sein »heiteres Antisemitenraten« verteidigte …
MZ: soll dieser Mann wirklich in einer Linie mit dem Aufklärer Börne stehen?
Das ist lächerlich.
Das deutsche Judentum wurde einmal von Heinrich Heine, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Ernst Toller vertreten.
Die heutigen selbsternannten Repräsentanten des Judentums in Deutschland stellen das Gegenteil dieser Traditionslinie dar.
Denn sie instrumentalisieren den Antisemitismusdiskurs in einer Art und Weise, dass sie mehr als jeder andere den Antisemitismusbegriff entleeren.
Das ist politisch sehr gefährlich.
Zuckermann hat völlig recht, wenn er von einer Entwertung des Begriffs Antisemitismus spricht, wenn davon inflationär Gebrauch gemacht wird.
Zuckermann ist nicht der einzige, der dazu ermuntert berechtigte Kritik an Israels Besatzungspolitik auszusprechen.
Kritik an Israel muss sein
Der israelische Historiker Moshe Zimmermann hält nichts von einer verschreckten deutschen Haltung gegenüber Israel.
Der israelische Journalist Gideon Levy geht noch weiter, indem er eine schärfere Kritik Deutschlands an Israels Besatzungspolitik begrüßt:
Ich glaube, wir sind erwachsen genug, um die Gräuel von damals zu unterscheiden von legitimer Kritik heute.
— Schlesinger
Lesen Sie das ganze Interview mit Moshe Zuckermann.