Im renommierten Politik-Magazin Foreign Policy hat der politisch hochrangige Nahost-Experte Aaron David Miller eine reichlich triste Prognose für den aktuellen Friedensprozeß im Nahen Osten abgeliefert.
Mit Blick auf die Zukunft sieht der Friedensprozess sehr schwer aus, aus drei Gründen.
Erstens ist die arabisch-israelische Friedensstiftung politisch riskant und lebensbedrohlich.
Betrachten wir die Morde an dem ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat und dem israelischen Premierminister Jitzchak Rabin.
In Camp David hörte ich den palästinensischen Führer Jassir Arafat mindestens dreimal sagen:
“Ihr Amerikaner werdet nicht hinter meinen Sarg gehen.”
Führer gehen nur dann Risiken ein, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist und sie dazu gezwungen sind.
Die heutigen Führer im Nahen Osten – Benjamin Netanjahu aus Israel, Bashir Assad aus Syrien und Mahmud Abbas aus Palästina – sind nicht selbstmörderisch.
Es war schließlich Netanjahu, der einmal zu mir gesagt hat: “Du lebst sicher in Chevy Chase. Spiel nicht mit unserer Zukunft.”
Damit hat Miller – leider – recht.
Nicht alle politischen Führer auf israelischer oder arabischer Seite, die nach außen hin den starken Mann geben, sind an Frieden desinteressiert (Netanjahu einmal ausgenommen) .
Menachem Begin zum Beispiel war ein Rechter, ein Hardliner, und dennoch hat er das Camp David Abkommen (1979) und damit den ersten Friedensvertrag mit einem arabischen Land zustande gebracht.
Miller hat auch damit recht, dass die Bereitschaft zum Frieden aufgrund zahlreicher gesellschaftlicher Spannungen innerhalb der arabischen Gesellschaften und innerhalb Israels schwieriger ist denn je.
Man erinnere sich an den israelischen Libanonkrieg ab 1982. In Tel Aviv gingen damals Hunderttausend auf die Straße, um gegen den desaströsen Krieg zu demonstrieren.
Im vergangenen Jahr, als Israel den furchtbaren Krieg gegen Gaza führte – der im Grunde kein Krieg, sondern ein Rachefeldzug gegen Zivilisten war – wurden die wenigen hundert oder tausend Demonstranten böse angefeindet.
Im heutigen Israel scheint man Krieg gegen die Araber oder Palästinenser als etwas ganz Normales zu sehen.
Eine diskretes Zusammengehen auf dem Weg zum Frieden, so wie es Rabin und Arafat 1992 versuchten, ist heute tatsächlich schwer vorstellbar:
Wahlkampfhilfe der PLO für Israel?
1992 scheint die PLO unter Arafat Wahlkampfhilfe für die Arbeiterpartei von Jitzchak Rabin geleistet zu haben:*
In dem Buch ‘Der Weg nach Oslo’ berichtet Abu Masen [= Mahmoud Abbas] von einem Treffen des palästinensischen Geschäftsmannes Said Kenaan mit dem damaligen Rabin-Berater und heutigen Gesundheitsminister Ephraim Sneh im April 1992.
Dabei habe Sneh vorgeschlagen, die PLO solle ihre Anhänger in Israel [d.h. die israelischen Bürger arabischer Herkunft, Anm.] zur Wahl der Arbeitspartei aufrufen und gleichzeitig die Friedensgespräche in Washington durch die Forderung nach einem völligen Stop des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten ins Stocken bringen, um weitere Fortschritte zu verhindern.
Im Gegenzug habe Sneh für den Fall einer Machtübernahme durch die Arbeitspartei die Aufhebung des Verbots der PLO und Verhandlungen mit der Organisation versprochen.
Nach der Wahl wurde tatsächlich das PLO-Verbot aufgehoben, Rabin verhängte einen Siedlungsstop und trat in Verhandlungen mit der PLO ein.
Das haben beide Seiten dementiert. Natürlich. Nichts könnte brisanter sein als eine Kooperation dieser Art.
Rabin jedenfalls war entschlossen, den Frieden weiter voran zu treiben, indem er die Hindernisse aus dem Weg schaffen wollte. Allem voran die Siedlungen.
Am 04. November 1995 wurde Jitzchak Rabin von dem jüdischen Fundamentalisten Jigal Amir erschossen.
— Schlesinger
Leseempfehlung: The False Religion of Mideast Peace
* Süddeutsche Zeitung, 09.01.1995 “Wahlkampfhilfe der PLO?”
Photo: Fitz-Patrick, Bill / Carter Library (Wikipedia CC) (Begin, Carter, Sadat – ermordet 06.10.1981)