Wenn jemand Nacktscanner einsetzt, dann die Israelis. Dachte ich.
Security first ist seit Ben Gurions Tages die oberste Prämisse… Die Flugabfertigung für den Flug nach Israel dauert auch diesmal länger. Wie schon im alten Münchner Flughafen Riem erfolgt die Abfertigung der Israelflüge in einer separaten Halle, die weit von zwei Hauptterminals abgesetzt liegt. Der Gedanke drängt sich auf: Schon wieder abgetrennt, geschieden vom Rest der Welt? Muß das sein? Daß Reisende und Gepäck besonders strengen Sicherheitsvorkehrungen unterzogen werden, leuchtet ein. Doch heutige Technik sollte eine Abfertigung ermöglichen, die nahtlos in das sonst übliche Verfahren integriert ist. Auch die unaufällig-auffälligen zusätzlichen Überwachungen dürften dabei kein Handicap sein. So befindet sich eine Etage über der Abfertigungshalle eine Art Wandelgang, der sich entlang dreier Wände erstreckt. Von dort aus beobachten zwei Sicherheitsbeamte, die vermutlich nicht zur deutschen Polizei oder dem Grenzschutz gehören, das Publikum. Zusätzlich sind mehrere Rundumkameras unter der Decke installiert.
Die Behandlung des Handgepäcks ist genauer als bei anderen Reisen. Es wird nicht pauschal in eine Wanne gelegt und durch ein Röntgengerät gefahren, sondern je nach Gegenständen zuerst auf einzelne Behältnisse verteilt, dann geröntgt und schließlich manuell geprüft. Laptop und Kamera müssen eingeschaltet werden. Der mp3-Player in meiner Brusttasche hat beim Magnet-Check naturgemäß einen Piepser verursacht. Mit dem Vorzeigen des Geräts war es nicht getan. Der Player ging in einer eigenen Wanne nochmals durch Röntgengerät und manuelle Prüfung. Die gesamte Prozedur braucht ihre Zeit. Vom Eintreffen am Check-In bis Eintritt in die Wartehalle verging weit über eine Stunde, obwohl nur eine Maschine abgefertigt wurde und im Sicherheitsbereich ungefähr 12 Personen sehr rege zugange waren.
Glücklicherweise gab es keine Nacktscanner. Auch in Tel Aviv, dem „sichersten Flughafen der Welt“ (Frankfurter Allgemeine) ist die neue Technik nicht im Einsatz. Dort verläßt man sich auf den Spürsinn des Sicherheitspersonals. Schwerpunkt ist das „ethnische profiling“. Jüdische Einwanderer aus den Staaten werden mehr oder weniger durchgewunken und bisweilen persönlich begrüßt. Senioren und Mütter mit Kindern werden relativ großzügig geprüft. Touristen und Geschäftsreisende werden je nach Einschätzung mehr oder weniger genau befragt, was der Zweck des Aufenthalts sei, was die Aufenthaltsorte sind, welche Kontakte man habe. Araber müssen sich auf mehr Fragen einstellen. Für alle gilt: Weitere Fragen der Art ob man Kontakte zu Palästinensern habe oder einer Internationalen Organisation angehöre sind jederzeit möglich. Die aktive Mitarbeit in palästinenser-freundlichen Organisationen wie ISM kann in einzelnen Fällen zur Einreiseverweigerung führen. Das mit der Befragung war zumindest damals so (bei der Ausreise grenzte die Befragung an ein Verhör. Wir mußten so genau wie irgend möglich rekonstruieren, wann wir wo waren und Unterlagen dazu vorlegen. In einer Kabine mußte ich mich bis auf die Unterwäsche entkleiden).
Im Zubringerbus geht es zum Flieger. Alles um mich herum ungemein quirlig. Viele junge Familien mit Kindern. Alle reden Ivrith (neuhebräisch). Schade, daß ich nichts verstehe. Immer wieder der elterliche Ausruf „Autobus“, was die Kinder mit freudigem Gequietsche quittierten. Bei „Autobus“ mußte ich an die unsägliche neue Aktion des israelischen Informationsministeriums denken. In mehreren Kampagnen werden die Landsleute dazu aufgerufen, im Ausland Werbung fürs eigene Land zu machen. Die Israelis werden dabei aufgeklärt – wahrscheinlich zu ihrer Überraschung -, daß man im Ausland denken würde, das Transportmittel Nummer eins in Israel sei das Kamel. Nein, Das sei nicht so! Es folgen Angaben zu Straßenkilometern und Fahrzeugen…
Im Flugzeug sitze ich neben einer Atomphysikerin aus Polen, die unbedingt nach Israel muß, weil: Dazu mehr morgen Abend. Abflug bei gefühlten 5 Grad. Ein unwirtlicher Regen hat wieder eingesetzt.
Alles in allem besteht kein Zweifel: Die Reise geht in ein etwas anderes Land.
21.05.
Ankunft nach ruhigem Flug (Dauer: 3 Std 40). Ausstieg in höchst schmeichelhafte 22 Grad. Eine erste Brise von Meer. Der Flughafen wurde offenbar komplett erneuert. Sehr ansprechend. Ein großzügiger, lichter Gang in Richtung Gepäckausgabe erinnert mit seiner Sandsteinwand an das Kotel, die Klagemauer in Jerusalem. Paßkontrolle erfolgt recht zügig. Statt intensiver Befragung nur ein schon etwas müder Zollbeamter, der mich zu Zweck und Ziel der Reise befragt, zu meinem Beruf und dem Vornamen meines Vaters. Dem Vornamen meines Vaters? Ich sehe anschließend in meinen Reisepaß, ob der drin steht. Natürlich nicht.
Der Taxifahrer* streitet ab, daß Bayern München die Champions League gewinnt. Inter Mailand wird es bringen. Der Taxler kam vor 30 Jahren aus Argentinien ins Land. Ich: „For economic reasons?“ Er, ganz lakonisch: „No, no, because I am a jew, what do you think?”
Tel Aviv ist laut, sehr laut. Und größer, als ich es in Erinnerung hatte. Um halb zwei morgens komme ich am Hotel an. Neu, modern. Liegt direkt am Strand. Ich gehe runter. Unglaublich viel Betrieb um diese Uhrzeit. An der gut besuchten Strandbar gönne ich mir ein Tuborg vom Fass. Vorne im Wasser tobt ein Dutzend Leute. Zurück, und gute Nacht.
Leckeres Frühstück mit Oliven, gebratenen Auberginen, Tomaten, Fisch. Viel Sonne und eine sehr schöne Meeresbrise. Jetzt muss ich los. Jaffa ruft. See you!
— Schlesinger
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* Preis für die Taxifahrt vom Flughafen nach TA Stadtmitte 141 Schekel Festpreis ~ 30 Euro