Einer der vielen Aspekte, die das Tagebuch Herzls so lesenswert machen: Der Autor macht keinen Hehl aus seinen Gemütsschwankungen.
Je nach Stand seines zionistischen Projekts schwankt er zwischen größter Euphorie, oft verbunden mit Allmachts-Phantasien, und tiefer Niedergeschlagenheit.
Eine Woche vor dem Ersten Zionistenkongress in Basel (29. August) zweifelte Herzl, dass seine bisherige Arbeit den gewünschten Erfolg bringen würde. Gereizt dachte er über seine Gefolgsleute, von denen er annahm, sie würden nicht denselben Eifer und nicht dieselbe Arbeitswut aufbringen wie er selbst:
Thatsache ist, was ich Jedermann verschweige, dass ich nur eine Armee von Schnorrern habe.
Ich stehe nur an der Spitze von Knaben, Bettlern und Schmöcken.
Manche beuten mich aus.
Andere sind schon neidisch oder treulos.
Die Dritten fallen ab, sowie sich ihnen eine kleine Carrière eröffnet.
Wenige sind uneigennützige Enthusiasten.
Dennoch würde dieses Heer vollkommen genügen, wenn sich nur der Erfolg zeigte.
Zorn und Unsicherheit waren nicht begründet, denn schon am 3. September, unmittelbar nach dem Kongress, konnte Herzl seinen wahrscheinlich berühmtesten Satz schreiben:
Fasse ich den Baseler Congress in ein Wort zusammen – das ich mich hüten werde öffentlich auszusprechen – so ist es dieses:
in Basel habe ich den Judenstaat gegründet.