So oft in so kurzer Zeit wurde noch kein israelischer Premier von einem amerikanischen Präsidenten empfangen. Letzte Woche traf sich Benjamin Netanjahu zum fünften mal mit Barack Obama. Nach den heftigen Verstimmungen der letzten Monate sollte nun wieder Grund zum Lächeln gegeben werden.
Ob Stephen Cohen auf der Huffington Post mit seiner Wertung, das meeting habe gleich zwei Sieger hervorgebracht richtig liegt, darf man bezweifeln. Sicher, der Eklat blieb diesmal aus. Man hat die unverbrüchliche Partnerschaft zelebriert und sich gegenseitig gelobt. Das macht noch keine Sieger aus.
Denn sowohl “Bibi” wie auch Obama stehen politisch mit dem Rücken zur Wand. Israel steht seit dem blutigen Vorfall der Gaza-Hilfsflotille unter ungeahntem internationalen Druck. Obama hat nicht nur politisch mit den verheerenden Auswirkungen der BP-Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu kämpfen, sondern muss sich auch vor den bevorstehenden Wahlen im Spätjahr fürchten. Die liberale jüdische Wählerschaft droht ihm von der Fahne zu gehen, wenn er seine Haltung gegenüber Israel nicht aufweicht. Dieses Risiko kann und wird er nicht eingehen. Also gibt die Not der Stunde den Fahrplan für die nächsten Monate ab.
Keine Sieger – aber immer noch Verlierer
Wenn es keine Sieger gibt, gibt es dann Verlierer? Oh ja, denn die israelische Lockerung der Blockade von Gaza wird nicht nur von Obama als “echter Fortschritt” gesehen. Ist es ein echter Fortschritt? Ich meine nein. Es ist ein Feigenblatt, dass den eigentlich untragbaren Zustand – die Blockade an sich – ein bisschen tarnen soll.
Die amerikanische Demokratie-Plattform Democracy Now! hat die israelische Journalistin Amira Hass telefonisch befragt, was sie von den mutmaßlichen Fortschritten in Bezug auf Gaza hält. Amira Hass ist die einzige israelische Journalistin, die seit vielen Jahren in Gaza lebt und von dort aus berichtet:
Look, everybody talks about food when we come to this blockade.
So now Israel is giving some more items of food, allowing the Palestinian merchants [Händler] to buy some more items of food to get into Gaza and maybe some other stuff, I don’t know.
But everything which is connected to raw materials for industry, for producing, anything connected to construction material [Baustoffe] is very limited. Nothing has changed.
So adding ketchup, as somebody told me, does not make people feel that the blockade is over. Maybe now there are more types of shampoo that Israel will allow to enter. But anyway, in the past years, Palestinians have managed to bring in shampoo and some other hygiene products from Egypt through the tunnels. This is not the blockade.
The blockade is about being imprisoned in Gaza.
This is the real closure. This is the real siege. And this is not going to change.
Only today there was a court hearing of the petition of a Palestinian lawyer, woman lawyer, female lawyer, from Gaza who wants to complete her M.A. Studies at the University and the state does not allow her because they say when it comes to the passage, the movement of human beings, nothing has changed. They still do not allow or they haven’t been allowed anywhere for the past ten or fifteen years but evermore severely, they [Israel] don’t allow the passage, the movement of people between Gaza and the West Bank except in some rare, very exceptional humanitarian cases. So this remains the same. This remains the same.
Also, Palestinians cannot export. Israel is talking only about bringing in products, not exporting. So even if Palestinians got raw materials, for example for textiles for furniture, the traditional industry that Gazans excel at, they are not allowed to export them. So they won’t earn a living. So Gaza is a huge prison where people are dependent on charity, some sort of charity [Wohlfahrt].
This situation is not going to change now, with Israel’s new measures.
Der letzte nennenswerte Export aus Gaza bestand letztes Jahr einmalig aus 25.000 Schnittblumen für den Valentinstag in Europa. Vor der kompletten Abriegelung haben täglich rund 750 LKW den Gazastreifen verlassen und damit einen Umsatz von einer halben Million Dollar in die kleine Region gebracht. Die Blockade geht zurück ins Jahr 1989, dem Ausbruch der Ersten Intifada. In mehreren Schritten wurde die Abschottung verschärft. Im Juni 2007, nach dem Wahlsieg der islamistischen Hamas, wurde die Blockade zu Lande und zur See schließlich vollständig verhängt.
Netanjahu hat im Gespräch mit Obama geäußert es sei nun höchste Zeit für direkte Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern (der Westbank). Das hört sich zunächst gut an. Dass mit so einem Wechsel der Verhandlungsebene viel personelle, terminliche, inhaltliche und organisatorische Umstellungen nötig sind, die naturgemäß Zeit in Anspruch nehmen, hat Bibi nicht dazu gesagt. Was er in direkten Gesprächen inhaltlich Neues zu bieten hätte, hat er ebenfalls nicht gesagt.
Aber Sieger haben nun einmal ihre Geheimnisse. Sonst wären sie vielleicht keine Sieger.
Israel steht übrigens mit seiner Position, eine umfängliche Lockerung der Blockade würde nur der Hamas und damit dem Iran nutzen, nicht ganz alleine. Genau mit dieser Begründung haben sich auch Ägypten und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas (Westbank) gegen eine eine Aufhebung der Seeblockade ausgesprochen.
— Schlesinger
Teilweise Übernahme des Interviews mit Amira Hass von Democracy Now! (CC Lizenz)
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