Es ist richtig, dass US Präsident Obama in seinen Wahlkampfreden und vor allem in Reden vor dem amerikanisch-jüdischen Lobbyverband AIPAC Lobeshymnen auf Israel hält.
Es ist richtig, dass Präsident Obama in seiner vielbeachteten Rede in Kairo einen Wandel versprochen hat in den Beziehungen Amerikas zur muslimischen Welt. Dazu kam es nicht, weil Obama die inneren und äußeren Widerstände unterschätzt hat, die sich mit Macht gegen eine Relativierung des Verhältnisses zu Israel stemmen.
Es ist daher richtig festzustellen, dass Obamas Politik gegenüber Israel wankelmütig ist.
Es ist nicht richtig zu sagen, dass sich jeder US Präsident immer oder gerne vor den Karren Israels spannen lässt.
Manche tun das aus innerer Überzeugung, wie zum Beispiel Lyndon B. Johnson oder Ronald Reagan. Andere aus Bequemlichkeit, um den Weg des geringsten Widerstandes zu nehmen, wie John F. Kennedy oder George H.W. Bush. Und manche wiederum machen Zugeständnisse nur mit Widerwillen oder entgegen großem Mißtrauen, wie etwa Dwight D. Eisenhower, Bill Clinton oder nun Barack Obama.
Doch kaum einer stand so massiv im Kreuzfeuer der Freunde Israels wie derzeit Obama. Er ist zum Teil selbst schuld. Er hat den Muslimen allzu offen die Hand ausgestreckt. Er hat versucht Jerusalem auf plumpe Art – das heißt öffentlich – unter Druck zu setzen. Und hat bei all dem vergessen daheim zu sondieren, inwieweit er dafür Rückendeckung hat.
Nachdem er sich mehrfach die Finger verbrannt und sich von Benjamin Netanjau hat vorführen und demütigen lassen, muss er sich selbst zurückhalten, zumal der Wahlkampf begonnen hat.
Statt dessen dürfen prominente Kabinettsmitglieder Israel kritisieren. Die Kritik kommt dabei nicht grundlos.
Seit einiger Zeit mehren sich in Israel demokratiefeindliche Tendenzen.
Das ist nichts Neues in Bezug auf die arabischen Israelis. Es ist aber etwas neues in Bezug auf jüdische Israelis:
Da protestieren konservative Militärangehörige gegen Frauen, die bei dienstlichen Veranstaltungen Gesangsaufführungen machen.
Ultraorthodoxe verlangen die Separierung von Männern und Frauen in öffentlichen Verkehrsmitteln – und haben das de facto in einigen Buslinien Jerusalems schon durchgesetzt (Frauen, die dagegen verstoßen werden belästigt. Sollten Frauen gar “unzüchtig” bekleidet sein – z.B. schulterfreie Tops tragen – kommt es vor, dass sie physisch reglementiert werden.)
Nun versucht man vermeintlich “linksradikale” Menschenrechtsorganisationen finanziell auszutrocknen, indem Zuwendungen aus dem Ausland stark beschränkt werden sollen. So erhält zum Beispiel die Organisation B’Tselem nennenswerte Beträge aus Europa (darunter kleinere von mir). Da sich die Kritik von B’Tselem zum Teil gegen das Militär richtet, ist das aus Sicht der rechten Kritiker bereits ein vollendeter Versuch die Wehrfähigkeit Israels zu unterlaufen.
Jüngst werden Forderungen laut nach einem Gesetz, das die Verfasser von Zeitungsartikeln mit hohen Strafen belegen soll, wenn die Beiträge illoyal gegen Israel sind (was immer das sein mag).
Zu guter Letzt kommt der Oberste Gerichtshof unter Beschuss, der zu “links” ist.
Das alles sind tatsächlich bedenkliche Bestrebungen, die an die Substanz von Demokratie gehen.
Hillary Clinton: Frauenrechte in Israel wie im Iran
US Verteidigungsminister Leon Panetta äußerte sich nun schroff und kaum verhüllt, er habe in Sachen Friedenbemühungen noch keine so passive israelische Regierung gekannt wie diese und sei im übrigen über die jüngsten demokratiefeindlichen Tendenzen irritiert:
I have never known an Israeli government — or an Israeli, for that matter — to be passive about anything, let alone this troubling trend.
Hillary Clinton hat für große Irritationen in Jerusalem gesorgt, als sie Israel in puncto Menschenrechte mit dem Iran verglichen hat:
She [Clinton] told the audience of US and Israeli officials on Saturday of her shock on hearing reports of gender segregation on buses operating in Jerusalem, which she claimed was “reminiscent of Rosa Parks”, the African American woman who refused to give up her seat on to white passengers on a bus in 1950s America.
Mrs Clinton went on to claim that recent incidents of gender discrimination against female Israeli soldiers reminded her of the situation facing women in Iran.
Natürlich hat die Antwort nicht lange auf sich warten lassen. Man verbitte sich solche Kommentare. Im übrigen gäbe es Vielweiberei bei den Mormonen, und die in den USA betriebene Todesstrafe würde wohl viel eher an iranische Verhältnisse erinnern.
Justizminister Yuval Steinitz hatte das “beste” Argument. In Israel, dessen sei er sich sicher, gehe alles rechtskonform zu. Auf den Haken an dieser Argumentation hatte früher Dr. Martin Luther King aufmerksam gemacht:
Everything Adolf Hitler did in Germany was ‘legal’ and it was ‘illegal’ to aid and comfort a Jew in Hitler’s Germany.
Demokratie aus Sicht des Ariel Sharon
Was das israelische Verständnis zu Demokratie anbelangt könnte die Erklärung von Ariel Scharon – General, Verteidigungsminister, Landwirtschaftsminister, Premierminister – aus dem Jahr 1993 von Interesse sein:
The terms ‘democracy’ or ‘democratic’ are totally absent from the Declaration of Independence. This is not an accident. The intention of Zionism was not to bring democracy, needless to say. It was solely motivated by the creation in Eretz-Isrel of a Jewish state belonging to all the Jewish people and to the Jewish people alone. This is why any Jew of the Diaspora has the right to immigrate to Israel and to become a citizen of Israel.
Angesichts dieser Definition kann es eigentlich keine demokratiefeindlichen Strömungen in Israel geben. Freilich auch keine richtige Demokratie. Bleibt zu wünschen, dass bald Kräfte auf den Plan treten, die eine andere Auffassung von gelebter Demokratie haben als die Herren Scharon, Netanjahu oder Liebermann.
— Schlesinger
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