Vorweg, wer Bjorn noch nicht kennt: Lomborg ist der Chefkritiker in Sachen globale Erwärmung. Er ist “ein bekannter dänischer Politologe, Statistiker und Buchautor”, so Wikipedia, und das trifft es schon ganz gut.
Nun zur Sache.
Auf der einen Seite gibt es Al Gore.
Gore wurde zu einer Zeit auf wissenschaftliche Erkentnisse zum Thema CO2 aufmerksam, als es die GRÜNEN hierzulande noch gar nicht gab (nichts gegen die Grünen, dient nur als zeitlicher Anhalt).
Er hat das Thema Klimaschutz zu einer Zeit aufgegriffen, in der sich in den USA kaum ein Mensch dafür interessierte. Das war damals, in den frühen Siebzigern.
Der ganz überwiegende Teil der sogenannten Gore-Kritiker hetzen gegen Gore und sein Thema nicht etwa aufgrund sorgfältiger Recherche, sondern aufgrund von kindlichem Nachplappern. Globale Erwärmung? Haha. Gore verdient sein Geld mit CO2. Höhö. Gore erfand das Internet. Hihi.
Auf der anderen Seite gibt es Lomborg.
Wissenschaft als Softporno
Früher, also vor relativ kurzer Zeit, gab noch kein Internet. Das hatte seinen Vorteil. Den etwa: Da saßen die Einfaltspinsel vor ihrer Glotze, guckten Tutti Frutti und gaben ihre Lebensweisheiten am Stammtisch wieder. Das war gut so, denn da hatten sie nur fünf Zuhörer.
Heute gibt es das Internet. Dasselbe Klientel – sagen wir der Güteklasse “Container-TV” – hat auch eine Meinung zum Thema Klimawandel. Es geht ins Internet, um seine Weisheit unters Volk zu streuen.
So ein Publikum braucht natürlich auch einen, der die Serie
” Klimawandel – die nackte Lüge “
für sie produziert. An dieser Stelle kommt Bjorn ins Spiel.
Endemol ist der Produzent für Big Brother; Bjorn Lomborg ist der Produzent seiner eigenen Voyeur- und Softporno-Show zum Klimawandel.
Lomborg produziert Wissenschaft für den Big Brother Container: Man darf ihm beim Nörgeln, Verunglimpfen, Besserwissen, Seicht-Reden und – insbesondere – beim wissenschaftlichen Hosenrunterlassen zugucken und sich dabei wie seinesgleichen fühlen. Die Zuschauer wollen das “echte” Leben der Darsteller sehen – mit allem drum und dran – und werden doch nur mit etwas Fummel(n) abgespeist. Bjorn verspricht die nackte Wahrheit zur Klimalüge und bietet nur billige Klimafummelei.
Wir alle sind ein bisschen Wissenschaftler, weil wir mit Bjorn auf Du und Du sein dürfen.
Wir alle dürfen uns daher ermuntert fühlen ein bisschen mit-zu-wissenschaften, weil wir uns auch ein paar Stunden mit dem Thema befasst haben, hier mal ein Infohäppchen aufgeschnappt haben, dort mal etwas gelesen haben. Und schon meinen wir in der Mediendemokratie ganz vorne mitreden zu können. Ein erhebendes Gefühl: Den Wissenschaftlern – ich rede nicht von Lomborg – mal die Harke zeigen! Pisa? Von wegen: Lieschen Müller zeigt es denen da oben in ihren Elfenbeintürmen!
Seltsam: In den Diskussionsforen findet man nie eine Algorithmen-Diskussion für die zur Anwendung kommenden Forschungs-Methoden.
Keine Auseinandersetzung mit den mathematischen Modellen. Keine Analysen der Datensammlungen. Komisch, nicht?
Dafür: Jede Menge äußerst robust vertretener Thesen. Warum? Weil das allgemeine Sprechen über Klimawandel nicht in mathematischen Ausdrücken erfolgt, sondern in Alltagssprache.
Kürzlich meinte eine Juristin, das Problem kenne sie zur Genüge aus ihrem Vorlesungsalltag: Weil Paragraphen allgemeinverständlich klingen, meinen alle Studenten – und insbesondere die, die nur einen kurzen Pflichtkurs belegen müssen – sogleich als Juristen qualifiziert mitreden zu können, und liegen dabei in aller Regel meilenweit daneben. Von diesem Umstand zehren die Lomborgs et.al.
Lomborg hat eine Professur für Statistik und Politologie inne. Keine für Klimaforschung. Dennoch hat er genau das zu seinem Thema gemacht.
Entgegne nun niemand: aber Gore ist auch nur Politiker, wieso darf der dann darüber reden? Der enorme Unterschied besteht darin, dass Gore nur Informationen vermittelt, aber selbst keine erarbeitet. Genau dafür pflegt er beste Beziehungen zu einschlägigen Wissenschaftskreisen. Genau deswegen steht er in engem Kontakt zum IPCC, der Internationalen Klimakommission. Er verwendet erstklassige wissenschaftliche Quellen, um deren Botschaft als versierter und verantwortlich handelnder Politiker einem breiteren Publikum anzubieten. Darin besteht bekanntlicherweise eine Schwäche der Wissenschaft: Mangelnde Nähe zum Publikum.
Diese Kluft konnte Gore überbrücken. Darin liegt sein großer Verdienst. Er hat nie behauptet, dass die von ihm vertretenen Thesen seine eigenen Erkenntnisse seien. Warum sollte er auch? Das ist die Stärke seines Vorgehens: Er schöpft aus den besten verfügbaren Quellen.
Und Lomborg? Er selbst kommt nicht aus der Klimaforschung, pflegt keine nennenswerten Beziehungen zu renommierten Instituten, sondern schöpft seine Weisheiten, nun ja, aus sich selbst.
Lomborg versteht es, sein Publikum einzulullen:
- Es ist alles nicht so schlimm mit dem Klimawandel
- Wir haben andere Prioritäten
- lasst uns ein wenig warten, der technische Fortschritt wird die Probleme lösen
- ansonsten regelt das die gute Fee (nein, das sagt er nicht)
Ist das nicht bemerkenswert? Lomborg und eine Handvoll zweit- oder drittklassiger Akademiker hat es erreicht, einen guten Teil der Klima-Debatte auf sich zu lenken.
Lomborg. Ich stelle mir vor, dass er jeden Morgen breit grinsend wie auf dem obigen Bild vor dem Spiegel steht und sich an dem irrwitzigen Umstand freut, wie er aus so wenig so viel machen konnte. Wie er aus so wenig Fachkenntnis so viel Kohle machen konnte und weiterhin machen kann. (Entschuldigung: Das Bild Lomborgs war zuvor oben, jetzt ist der “Arsch” oben, Lomborg ist jetzt ganz unten. Ein Leser hat uns dankenswerterweise darauf aufmerksam gemacht.)
Irrwitzig ist das auch deshalb, weil er spät dazu kam, sich als Klimaskeptiker zu produzieren, und selbst keine originären Beiträge zur Klimaforschung geliefert hat. Von jahrzehntelanger harter Arbeit auf diesem Gebiet ganz zu schweigen.
Dieser Yuppie nährt sich als medialer Parasit an der jahrzehntelangen Arbeit Al Gores und der langen Reihe redlicher Klimatologen, die weltweit ihre Kenntnisse erarbeiten.
Der Rattenfänger aus Dänemark tourt erfolgreich mit folgender Frage finanziell einträglich um die Welt:
Given $50 billion to spend, which would you solve first, AIDS or global warming? Danish political scientist Bjorn Lomborg put this question to economists and students around the world, and the answers they came up with may surprise you. Ranking our toughest problems not on any moral scale but simply by how effectively they can be solved, Lomborg and his colleagues demand we take a fresh look at doing good.
Hätten Sie 50 Milliarden Dollar, was würden Sie als erstes tun: AIDS bekämpfen oder globale Erwärmung?
Diese Frage lässt man ihm hübsch durgehen, anstatt sie ihm erstens gehörig um die Ohren zu hauen und sich dann zweitens kopfschütteld abzuwenden von seiner Dreistigkeit.
Wenn Sie die Wahl hätten zu atmen oder zu essen, was würden Sie tun?
Antworten Sie bitte nicht, denn sowohl die Lomborg-Frage als auch die Atmen-Essen-Frage sind “falsche” Fragen, weil sie irreführend und suggestiv sind. Es sind keine Alternativen. Alternativen haben zur Voraussetzung, dass man das eine tun und das andere lassen kann.
Selbstverständlich muss man sich heute um AIDS kümmen, und hoffentlich ist klar, dass man sich ab heute um globale Erwärmung kümmen muss.
Einer, der sich als Wissenschaftler ausgibt, stellt solche Fragen? Das ist ein Witz. Jeder Wissenschaftler würde sich dafür schämen. Lomborg aber ist längst Medienprofi, steht abseits der wissenschaftlichen Gemeinde, und schämt sich kein bisschen.
Von diesem wissenschafts-abseitigen Ort kommt die “Wissenschaftskritik” Lomborgs. Mit der globalen Erwärmung sei es ja nicht gar so weit her. Das sagt er, und das sagt ein Prof. Singer, und, äh, ungefähr ein Dutzend anderer, die sagen das auch (Herr Professor Singer, das ist der, der von EXXON gesponsert wurde). Oder ein Journalist Günter Ederer, der beim Bayerischen Rundfunk sein Auskommen hat und dort haarsträubende Sendungen zeigen konnte.
Auf den Klimazug springen auch gerne mal Jounalisten auf, die ansonsten nicht so recht wissen, was sie als nächstes publizieren sollen. So ein Fall scheint Dirk Maxeiner zu sein. Der hat für satte 20 Euro ein Buch mit dem Angriffs-Titel Hurra, wir retten die Welt herausgegeben. Den passenden Hintergrund bringt Maxeiner mit: Er begann seine journalistische Laufbahn bei der Motorpresse in Stuttgart, war Redakteur des Technikmagazins Hobby und dann beim Stern. Er war in den Achtziger Jahren in Paris Chefredakteur und Herausgeber des von ihm aufgezogenen Stadtmagazins Pariser Luft. Sodann war er Chefredakteur von nature, ist seit 1993 freier Publizist und schreibt u.a. für DIE WELT, die seit Anfang an gegen den Klimawandel und Al Gore angeschrieben hat.
Jemand wie Maxeiner braucht als Nicht-Wissenschaftler etwas Schützenhilfe, damit sich sein Buch und die darin enthaltenen Thesen – Klimawandel ist eine apokalyptische Erweckungsbewegung – besser verkaufen lässt. Dazu eignet sich ein Professor immer gut.
In diesem Fall der ehemalige Geologie-Professor der Ruhr-Universität Bochum Jan Veizer. Der pries Maxeiners Buch äußerst wohlwollend an.
Veizer selbst ist angetreten, Wasserdampf in Verbindung mit kosmischen Strahlen als Hauptursache des Klimawandels zu propagieren. Da könnte theoretisch etwas dran sein. Veizer wird aber wissen, warum er seine Thesen begründet, wie er sie begründet, denn
Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimaforschung hat starke Zweifel an Veizers Thesen:
Methodisch weisen die relevanten Fachpublikationen von Schaviv [ein Kollege Veizers] und Veizer gravierende Mängel auf. Bei den angeblichen Korrelationen handelt es sich oft um statistische T r i c k s e r e i.
Starke Zweifel? Das ist eine vernichtende Aussage und beruht offenkundig auf Rahmstorfs Abscheu vor unredlicher Wissenschaftshuberei.
Die Lomborgs, Singers, Maxeiners, Veizers dürfen – und das ist ihr strategisch unschlagbarer Vorteil – in ihrem Tun blind darauf vertrauen, dass das ihnen geneigte Publikum nicht die Bedeutung versteht, wenn
- die NASA und
- das Kieler Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) und
- das Colorado National Snow and Ice Data Center und
- das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung und
- die amerikanische Scripps Institution for Oceanography und
- das Forschungszentrum Karlsruhe und
- das australische Adelaide Institute for Climate Change und
- die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften und
- die Britisch-Königliche Gesellschaft der Wissenschaften (Royal Society of Science) und
- die Klimasektion der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH)
- u.v.m.
in den zentralen Aussagen zum menschengemachten Klimawandel übereinstimmen (denn das tun sie und haben ihre Erkenntnisse einfliessen lassen in den Klimabericht des IPCC).
Das Lomborg-Publikum steht der Wissenschaft so meilenweit fern, dass es sich keine Vorstellung davon macht oder machen kann, wie hinter jedem dieser Institute Dutzende bis Hunderte hochkarätiger Wissenschaftler stehen, die ihre Ergebnisse aus jahre- und teils jahrzehntelanger Forschung in den Kenntnisstand zur globalen Erwärmung einfliessen lassen.
Es müsste jedem wie ein schlechter Witz erscheinen, wenn die sogenannten Skeptiker auf ihre notorischen zwei Handvoll Akademiker verweisen, die den menschengemachten Klimawandel in Abrede stellen.
Tut es aber nicht. Weil das zuvor beschriebene Mißverhältnis nicht klar erkannt wird. Die Thesen eines Professor X oder eines Jounalisten, der eben mal ein flüssig geschriebenes Buch herunter rotzt, gelten so viel wie die jahrelange Arbeit von hervorragenden Forschern oder ganzer Institute.
Zu viel Container-TV…
Jeffrey Sachs hat eine gelungene Kritik zu Lomborg verfasst, in der er bündig zusammenfasst: Lomborg habe 1. die falschen Fragen gestellt (s.o.), 2. dazu nachweislich fachlich nicht qualifizierte Personen befragt und daher 3. die falschen Antworten gegeben. Den Artikel finden Sie auf der Seite der University of Columbia.
Schliessen wir mit Mojib Latif, einem der weltweit angesehendsten Klimaforscher vom Kieler Leibniz Institut für Meereswissenschaften :
Wer sagt, der Klimawandel habe mit dem Menschen nichts zu tun, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.
Daran wird sich nicht das Geringste ändern. Hey: George W. Bush konnte ein ganzes Land acht Jahre lang mit hahnebüchenen Äußerungen irreführen. Dann kann sich ein Lomborg schon auch mal ein paar Hunderttausend Fans halten.
— Schlesinger
PS. 1: Sie sehen Bjorn Lomborg im Bild rechts (Popper-Haarschnitt, blaues Seidenhemdchen, lässige Bomberjacke, glückliches Lächeln aufgrund enormer Buchverkäufe. Genau so sehen die Wissenschaftler aus, die bei uns im Institut arbeiten… : Scherz, aber verbunden mit sardonischem Lachen).
(Photo: Fotolia © DeVIce) (Photo: Wikipdedia CC)
PS. 2: Sie möchten ein Beispiel für einen typischen Lomborg-Fan? Warum nicht. Ein Fan will uns im Folgenden etwas mitteilen zum Lomborg-Buch Cool It!
Zu diesem Buch muss man etwas mehr schreiben. Lomborg, der für seine Forschung schon mit Hitler verglichen wurde (sehr Interressant) rechnet den Klimawandel durch
Die haben den Bjorn mit Hitler verglichen? Gemeine Schufte, die! Heul….. (sehr Interessant ? Gibts was Langweiligeres? Man hat schon Mickey Mouse mit Hitler verglichen.)
Lomborg “rechnet den Klimawandel durch”? Den ganzen? Haben noch nicht viele geschafft. Klasse, Bjorn!
und damit auch mit ihm ab.
Jetzt wird abgerechnet! High Noon.
Mit einem gespitzten grinsen
Was ist ein gespitztes grinsen? So ungefähr wie “Breitmaulfrösche gibts hier nicht!” ?
unter berufung auf viele Quellenangaben
Hm. Man sollte sich auf seriöse Quellen berufen, das stimmt freilich. Lomborg scheint sich hingegen auf viele Quellen a n g a b e n zu berufen. Was immer das sein mag.
erklärt er warum die Eisbären nicht aussterben
Freu!!! Die Eisbären sterben nicht aus. Bjorn hat’s gesagt!
und die Erde nicht untergehen wird.
Hüpf!!!
(Rajendra K. Pachauri vom IPCC sagte zwar nicht, die Erde würde untergehen, macht aber nichts. Man kann sich für Bjorn schon ein bisschen in die Brust werfen.)
Dahinter steht aber der meiner Meinung nach ziemlich gut durchdachte “Masterplan” zur Rettung der Erde.
…Masterplan zur Rettung der Erde …. hmmmmmpfffffffffffffff ich schmeiß mich weg, das ist wie bei Superman ……….
Kurz: Kein Geld mehr in den Klimaschutz, sondern direkt in “schlimmere” und vor allem viel einfacher zu Lösende Probleme zu investieren.
…nicht in Klimaschutz, sondern in schlimmere Pobleme. Heißt klipp und klar: Klimaschutz ist ein Problem. Hab ich bislang noch gar nicht so gesehen….
Unter dem Strich entpuppen sich die Klimakampagnen dann als Geld- und Zeitverschwendung!
Persönlich bin ich von seinen Aufstellungen sehr beeindruckt,
DAS glaube ich aufs Wort!
und jeder kann sich Gedanken machen ob er Lieber für 6 Euro bei Unicef armen Kindern die Impfung ermöglichen oder auf myclimate.org sein schlechtes Klimagewissen befriedigen will.
Kann mir jemand sagen, wo ich 6 Euro spenden kann für Nachhilfe in Deutsch? Ein kluger Kopf sagte einmal, korrekte Sprache und korrektes Denken stünden in engem Zusammenhang. Lomborg weiß, dass das nicht allzu oft zutrifft. Das wäre seinen Buchverkäufen auch äußerst abträglich.
Übrigens: Der hochanalytische Verfasser des pro-Lomborg-Blogs meinte eingangs, man müsste zu diesem Buch etwas mehr schreiben. Ja, wieso hat er es dann nicht getan?
Mini-Hoffnung: Hoffentlich hat er die 6 Euro für UNICEF gespendet und nicht nur Katastrophendeutsch abgelifert abgeliefert.
(Grafik: Flickr CC)