Erneuerbare Energiequellen wie Wind oder Sonne liefern ein schwankendes Leistungsangebot. Um das Stromnetz stabil zu halten, muss die Bilanz zwischen Energieangebot und -nachfrage daher stets durch steuerbare Leistung ausgeglichen werden. Besonders trifft dies die windreichen nördlichen Bundesländer, wo sich der fluktuierende Windstrom im Netz schon heute massiv bemerkbar macht. Verschärfen wird sich das mit dem geplanten Aufbau großer Windparks auf See.
Große Energiespeicher könnten die Windenergie netzverträglicher machen. Bei Flaute käme die fehlende Energie aus dem Speicher, bei Wind-Überangebot würde er wieder aufgefüllt. Die für die Netzregelung benutzten Pumpspeicher reichen jedoch schon heute nicht mehr aus und fossile Kraftwerke springen ein:
Für den deutschlandweiten Ausgleich einer typischen viertägigen Windflaute müsste man den Bodensee auf das Niveau der Zugspitze pumpen
erklärt Dr. Roland Hamelmann von der Fachhochschule Lübeck. Er war Leiter einer Studie zur Dämpfung der Netzbelastung, die im Auftrag des Wirtschaftsministeriums in Schleswig-Holstein entstanden ist.
Das Fazit: Von den großen Stromspeichern – Druckluft-, Pump- oder Wasserstoffspeicher kann nur die chemische Energiespeicherung durch Wasserelektrolyse ausreichende Kapazität bieten.
Hierbei soll überschüssiger Windstrom benutzt werden, um Wasser elektrolytisch in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen. Während der erzeugte Sauerstoff industriell verwendet werden kann, ist der Wasserstoff ist ein sehr kompaktes Speichermedium. Pro Kubikmeter kann er 100-mal mehr Energie speichern als das Wasser in einem Pumpspeicher, 30-mal mehr als Druckluft. Lagern ließe sich das komprimierte Gas untertage in großen Salzkavernen, wie sie für die Speicherung von Erdgas auch in Deutschland genutzt werden. In der ehemaligen DDR und in England waren derartige Speicher für Stadtgas mit Wasserstoffanteil in Betrieb, in den USA und England speichert die chemische Industrie Wasserstoff in Salzstöcken.
Der erzeugte Wasserstoff könnte im Verkehr genutzt oder – dem Erdgas beigemischt – in das Gasnetz eingespeist werden. So ließen sich zwar nicht Schattenkraftwerke, wohl aber der sonst nötige Netzausbau zum Ableiten der Windstrom-Spitzen vermeiden.
Eine Machbarkeitsstudie haben kürzlich das französische Mineralölunternehmen Total und der Stromerzeuger Enertrag verabredet, der in Brandenburg Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von rund 600 Megawatt betreibt. In einer geplanten Elektrolyseanlage soll der erzeugte Windstrom mit Wirkungsgraden bis 80 Prozent in Wasserstoff umgewandelt und dann an die Total-Wasserstofftankstellen in Berlin geliefert werden.
Aber auch die Rückverstromung des Wasserstoffs in Brennstoffzellen, Blockheizkraftwerken oder Gasturbinen ist denkbar. Bis alles funktioniert, bedarf die Systemtechnik jedoch weiterer Forschung. Kleine Demonstrationsanlagen gibt es schon: So wird seit 2007 der von zwölf Windrädern auf dem Dach der Fachhochschule Lübeck erzeugte Strom – maximal 10 Kilowatt – durch einen Elektrolyseur geglättet. Bei Bedarf wird der in einem kleinen Speicher vorgehaltene Wasserstoff mit Brennstoffzellen wieder in elektrischen Strom zurückverwandelt. „Mit der kleinen Anlage wollen wir Betriebserfahrung sammeln, um die benötigten Technologien zu optimieren“, sagt Roland Hamelmann.
Ein größeres Pilotprojekt plant das Brandenburger Unternehmen Enertrag: Ab Ende 2008 sollen in Prenzlau drei Windräder einen 400 Kilowatt-Elektrolyseur versorgen, der mit einem oberirdischen Wasserstoff-Speicher gekoppelt ist. Von einer intelligenten Steuerung dirigiert, gelangt der Windstrom je nach Nachfrage entweder direkt zum Verbraucher oder wird als Gas zwischengespeichert. Wenn die Preise an der Strombörse hoch sind, wird es dann in Strom zurückverwandelt. Ende 2008 soll die Anlage in Prenzlau in Betrieb gehen.
Wind-Wasserstoff-Systeme könnten auf diese Weise selbst zu Regelkraftwerken werden, die auf Lastspitzen oder -senken im Netz reagieren. Nur so, meint die Lübecker Studie, könnte Offshore-Windkraft fossile oder nukleare Kraftwerke wirklich ersetzen. Allerdings sind die Energieverluste bei der doppelten Umwandlung erheblich, entsprechend liegt der Wirkungsgrad viel niedriger als bei Pump- und Druckluftspeichern.
Eine betriebswirtschaftliche Kostenbetrachtung sei aber ohnehin nicht angemessen, so die Studie: „Da die massive Integration von Windkraft in das Stromnetz volkswirtschaftlich durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz stimuliert wurde, ist dieser Maßstab auch bei der Speichertechnologie anzulegen“. Betriebswirtschaftlich denkend würden Energieversorger keine Windkraft zur Stromgestehung einsetzen, sondern den vorhandenen Kraftwerkspark optimieren. Auch Regelenergie sei mit konventionellen Kraftwerken – etwa Gasturbinen – günstiger bereitzustellen als mit Wasserstoff. Hier dürfe man aber, wie beim Verursacher der Problematik, nicht betriebswirtschaftlich rechnen. Zur Finanzierung seien stattdessen Mechanismen denkbar wie im Erneuerbare-Energien-Gesetz: „Beispielsweise könnte bedarfsgerecht eingespeister Windstrom höher vergütet werden als ungeregelt angebotener“.
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— Schlesinger
Teil II: Druckluftspeicher
Teil I: Pumpspeicher
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