Heftige Kämpfe östlich von Beirut
Während in Beirut nach dem Abzug der Hizbollah Ruhe einkehrte, flammen nach den gestrigen Auseinandersetzungen in Tripolis neue Kämpfe außerhalb der Stadt auf.
Die bewaffneten Auseinandersetzungen finden im Shouf-Gebirge im Osten Beiruts zwischen der Miliz des der Regierung nahe stehenden Drusenführers Walid Dschumblatt und Kämpfern der schiitischen Hizbollah statt:
Fierce clashes broke out on Sunday in the mountains east of Beirut between supporters of the Western-backed government and followers of Hezbollah, the militant group backed by Iran.
The fighting, in the Shouf and Aley districts in the mountains overlooking the capital, Beirut, followed overnight clashes in the northern city of Tripoli that left at least two people dead and five wounded, according to security officials.
Die Hizbollah blockiert indessen weiterhin die wichtige Straße zum Internationalen Flughafen von Beirut.
Damit hält sie den Druck auf die Regierung des Sunniten Fuad Siniora aufrecht, um mehr Rechte an der politischen Gestaltung zu erhalten. Bislang operierte die Hizbollah in einem Kalten Krieg gegen die Regierung, indem sie sich in weiten Teilen Süd- und Westlibanons festsetzte. Nun hat sie die Temperatur bis an den Siedepunkt erhöht.
In der Zwischenzeit ist eine Delegation der Arabischen Liga nach Beirut gereist, um in Gesprächen zwischen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, Regierungschef Fuad Siniora, dem Führer der christlichen Milizen Michel Aoun, Parlamentssprecher Nabih Berri sowie dem früheren Präsidenten Amin Gemayel einen Ausgleich herbei zu führen.
Seitens der Bundesregierung wurden die in solchen Fällen ebenso üblichen wie belanglosen Besorgtheit-Standards geäußert:
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich am Wochenende nach Telefonaten mit Siniora und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon besorgt über die Entwicklung in dem Mittelmeer-Land. Die CDU-Politikerin rief zu einem bedingungslosen Ende der Gewalt auf und verurteilte jegliche Einmischungen im Libanon von außen.
US Annäherung an Hizbollah?
Bislang steht die Hisbollah noch offiziell auf der US Liste der Terror-Organisationen.
Angesichts der jüngsten Ereignisse äußerte sich nun der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Gordon Johndroe wie folgt:
“Hezbollah needs to make a choice: Be a terrorist organization or be a political party,
but quit trying to be both,” said U.S. National Security Council spokesman Gordon Johndroe. “They need to stop their disruptive activities now.”
Die Hizbollah solle eine Wahl treffen, ob sie Partei sein wolle oder Terrororganisation?
Zum Vergleich: Man stelle sich vor, die USA würden Al-Quaida anbieten, sie möge sich nun entscheiden, Partei oder Terrororganisation zu sein.
Sollte diese Äußerung kein Fehler in Johndroe’s Sprachwahl darstellen, lässt sich daraus nur schliessen, dass man in Erwägung zieht, unter Umständen mit der Hizbollah zu verhandeln.
Das wiederum wäre ein Zugeständnis an den de-facto-Status dieser Miliz im Libanon.
Das schließlich könnte als Zugeständnis an den Iran gedeutet werden.
Zugeständnisse an den Iran, um zu einer Entspannung der Lage zu kommen, wären ein guter Schritt. Es stellt sich lediglich die Frage zu welchem Preis? Einen Preis kann streng genommen nur der Libanon entrichten: In Form von politischer Teilhabe der Hizbollah. Dieser Preis könnte sich als sehr hoch erweisen.
Ob Syrien und der Iran mittelfristig noch in der Lage sind, die Hisbollah nach Belieben zu steuern, darf man bezweifeln. Auch die PLO wurde seinerzeit – 1964 – von der Arabischen Liga unter Einfluss von Gamal Abd El Nasser mit dem Ziel gegründet, die Untergrundaktivitäten der Palästinenser gegen Israel zu fördern und vor allem zu steuern. Wenig später tauchte ein Mann namens Jassir Arafat auf und übernahmen in 1969 die Führung der PLO. Damit wurde sie weitgehend autonom.
Hassan Nasrallah von der Hizbollah scheint keiner zu sein, der sich leicht lenken liesse.
Vielleicht ist die Hizbollah im Libanon inzwischen autarker, als manch einem in Washington, Damaskus oder Teheran lieb sein kann. Eine weitere Etablierung der Partei Gottes wäre von niemandem mehr rückgängig zu machen. Eine Schreckenvision für den Libanon. Warum?
Nicht weil der im Libanon größte Bevölkerungsanteil der Schiiten damit ein mächtiges Sprachrohr erhielte (was gerechtfertigt wäre), sondern weil sehr in Zweifel gezogen werden muß, ob die Hizbollah eine originär “libanesische Partei” ist. Dafür hat sie zu viele nicht-nationale Ziele und Abhängigkeiten. Man kann durchaus sagen, dass ihr zentraler Daseinsgrund im Kampf gegen Israel liegt. Jede Partei eines Landes sollte sich primär um die Probleme des Landes kümmern, und nicht primär Kriegspartei gegen Dritte sein. Diese Prioritätenfolge ist von vornherein falsch und für ein seit langer Zeit instabiles Land wie dem Libanon überaus gefährlich.
Falls die USA eine Entspannung mit Teheran (oder Damaskus) suchen sollten, wären sie – zum Vorteil des Libanon – besser beraten, dies im direkten Dialog mit dem Iran oder Syrien zu tun, und nicht wie so oft über Stellvertreterpositionen. Es sei denn, man möchte Dritte für ein mögliches Scheitern bezahlen lassen. Was nicht das erste mal der Fall wäre. Washington sollte das Gespräch mit der Hisbollah auch suchen – aber nicht anstelle von Gesprächen an wichtigerer Stelle und nicht in der zeitlich falschen Reihenfolge.
— Schlesinger