Das geplante Rettungspaket für die “Big Three” der US Automobilbranche in Höhe von zuletzt 14 Milliarden Dollar ist am Widerstand der republikanischen Senatoren gescheitert.
Nachdem das Repräsentantenhaus dem Bailout zugestimmt hatte, drohten die Republikaner im Senat die Gesetzesvorlage mit einer Redeblockade (“Filibuster”) zum Scheitern zu bringen, sollten ihre Bedingungen nicht erfüllt werden. Die Demokraten haben zwar die Mehrheit im Senat, aber ein Filibuster liesse sich nur die komfortable Mehrheit von 60 Sitzen verhindern, die sie nicht haben.
Forderung nach Lohnsenkung
Die an die große Automobil-Gewerkschaft UAW (Union of Automobile Workers) gerichtete Forderung der Republikaner lautete, die Löhne und Gehälter auf das Niveau der überseeischen Konkurrenten herabsetzen.
Im Hintergrund stand der Vorwurf, die Entgeltstrukturen von GM, Ford und Chrysler würden alleine schon einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber Toyota, Nissan oder Honda mit sich bringen.
Dieser Vorwurf wurde unter anderem vom republikanischen Senator Jon Kyl in einem Interview mit FOX News in Umlauf gebracht:
The average hourly cost per worker in this country is about $28.48.
For these auto makers [GM, Ford, Chrysler, Anm. T.A.B.], it’s $73.
And for the Japanese auto companies working here in the United States, it’s $48.
So you’ve got huge costs there.
Das scheint der folgende vom Dan Ikenson (Cato Institut für Handelspolitik) erstellte Vergleich zu unterstreichen:
Daraus folgt eine durchschnittliche Lohn- und Gehaltslücke von rund 29 Dollar pro Stunde. Angesichts der im Falle von General Motors 96.000 Mitarbeiter (nur USA) würde das einen beachtlichen Kostenunterschied ausmachen.
Allerdings sind diese Zahlen über einen 70-Dollar-Stundenlohn irreführend. In den siebzig Dollar sind sämtliche Sozial-, Pensions- und sonstige freiwillige Leistungen mit eingerechnet. Belässt man dieser Werte außen vor, kommt man zum realen Stundenlohn von 28 Dollar, was einem Jahreseinkommen von knapp 60.000 Dollar entspricht. Damit aber liegen die amerikanischen Produzenten nur wenig über den Vergütungen, die die Mitarbeiter von den nicht gewerkschaftlich organisierten Toyota et.al. erhalten. Deren Stundenlohn liegt zwischen 20 und 26 Dollar und beläuft sich somit auf ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 52.000 Dollar.
Der mit der Verhandlungsführung beauftragte Senator Bob Corker (R, Tennessee) schien sich mit den Forderungen gegenüber UAW Gewerkschaftschef Ron Gettelfinger fast durchgesetzt zu haben, als die Gewerkschaft die Gespräche in letzter Minute abbrachen.
Bush fällt seinen Senatoren in den Rücken
Dafür hatte sie einen guten Grund. Aus dem Weissen Haus ließ Präsident George W. Bush über seine Sprecherin Dana Perino signalisieren, dass man nun doch daran denke, einen Teil des bereits für die Bankenkrise freigegebenen 700 Milliarden Pakets an die Automobilindustrie umzuleiten:
Given the current weakened state of the U.S. economy, we will consider other options if necessary, including use of the TARP program, to prevent a collapse of troubled automakers.
Under normal economic conditions, we would prefer that markets determine the ultimate fate of private firms.
A precipitous collapse of this industry would have a severe impact on our economy and it would be irresponsible to further weaken and destabilize our economy at this time.
Damit entfiel für die Gewerkschaft die Notlage, sich den Forderungen nach Lohnkürzungen zu beugen, um an die begehrten und vorübergehend rettenden 14 Milliarden zu gelangen.
Die Verhandlungen mit den republikanischen Senatoren hatten aus Gewerkschaftssicht zudem einen bitteren Beigeschmack. Einige der Senatoren stammen aus dem Süden, wo sich große Produktionsstätten der nicht gewerschaftlich organisierten ausländischen Hersteller befinden. Eine anti-Gewerkschaftshaltung schien Hand in Hand zu gehen mit der Bevorzugung der lokalen Autoindustrie im Süden:
In South Carolina hat sich BMW angesiedelt, in Mississippi Toyota, in Alabama Mercedes-Benz, Hyundai und Honda. In Georgia plant Kia eine 1,2 Milliarden teure Anlage.
Obama will Rettungspaket
In einer ersten Stellungnahme zeigte sich president-elect Barack Obama entäuscht darüber, dass im Kongress keine Lösung erzielt wurde. Zwar verdiene eine Industrie, die sich in Jahren und Jahrzehnten selbst in die Bredouille gebracht habe keine Unterstützung, aber da Millionen von Jobs von einer lebensfähigen Automobilindustrie abhingen, gebe es keine Alternative für eine vorübergehende Stützung, die allerdings in eine Reform dieses Industriezweigs münden müsse.
GM, Ford wollen sich neu ausrichten
Die ersehnte Hilfe durch den Staat wird sich in jedem Fall daran knüpfen, ob die Hersteller plausible Pläne zu ihrer Sanierung vorlegen können.
Bislang umfassen diese Pläne den in solcher Lage fast reflexartig üblichen Stellenabbau.
Alleine General Motors, das unvorstellbare 68 Mrd. Schulden angehäuft hat, will seinen bisherigen Personalbestand über die kommenden drei Jahre um bis zu 31.000 Stellen auf 65.000 verringern. Die 47 Produktionsstandorte sollen auf 38 heruntergefahren werden.
CEO Rick Wagoner will sich zunächst mit einem Jahressalär von 1 Dollar begnügen. Das sollte ihn kurzfristig nicht in größere Nöte bringen, da er in 2007 knapp 20 Millionen Dollar erhielt. Das macht einen Stundenlohn von etwa 9.500 Dollar.
Darüberhinaus versprechen alle eine mehr oder weniger radikale Umstrukturierung ihrer Modellinien hin zu energie-effizienteren Modellen. Große, wenn nicht elle Hoffnungen setzt GM dabei auf das Elektrofahrzeug VOLT seiner Tochter Chevrolet. Der Volt wir jedoch erst in 2010 marktreif sein und mit rund 60.000 Dollar zunächst nicht den Massenmarkt bedienen können.
Man möchte wünschen, dass ihnen das in der gebotenen Zeit gelingt.
Ein Silberstreif am Horizont, falls man dem trauen darf: Wenigstens Ford hat bekundet, seine Finanzen für das Jahr 2009 im Griff zu haben, solange sich die wirtschaftliche Lage nicht weiter eintrübt.
— Schlesinger
(Grafik: Mark Perry) Photo: Ron Gettelfinger Photo: Volt