Die bisherigen Ergebnisse der Vorwahlen von Indiana und North Carolina:
Indiana
50,9 % Clinton
49,1 % Obama
North Carolina
56,2 % Obama
41,5% Clinton
Wertung: Obama hat insgesamt deutlich besser abgeschnitten, als man es nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen vermuten durfte.
Die New York Times schreibt:
The results gave Barack Obama new ammunition as he seeks to persuade Democratic leaders to coalesce around his campaign. […neue Munition für Obama, damit die Führer der Demokraten verstärkt mit seiner Kampagne koalieren können]
Und:
Hillary Rodham Clinton lost an opportunity to sow new doubts about Barack Obama’s appeal in the general election. [Hillary Clinton hat eine Gelegenheit verstreichen lassen, weitere Zweifel an der Wählbarkeit Obamas bei den allgemeinen Wahlen nachwirken zu lassen]
Die heutigen Wahlergebnisse in Indiana und North Carolina haben damit mathematisch noch immer keine klare Entscheidung herbeigeführt, wenngleich sich die Lage für Obama weiter verbessert hat.
Über den Ausgang der gestrigen Wahl und über die Art, wie Clinton bis hierher kam, stellt Thomas Edsall fest:
Hillary Clinton, who for seven weeks has crawled [zurück kriechen], kicked and bitten her way back into contention [Wettstreit], suffered a blow [bekam einen Schlag versetzt] on Tuesday
Soweit die vorläufigen Ergebnisse und Wertungen zum aktuellen Wahlausgang. Nun zum zentralen Punkt.
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Der Verlauf des Wahlkampfs bis heute hat allerdings anderes zutage gefördert als einen gewissen Vorsprung von Barack Obama:
Der klare Gewinner der bisherigen Vorwahlen heißt George W. Bush.
Mit fortschreitendem Wahlkampf zeigt sich nicht so sehr, welcher Kandidat sich als Nominierter durchsetzen wird.
Bei den Republikanern steht das mit John McCain ohnehin fest. Bei den Demokraten wird sich die eine oder eher der andere durchsetzen.
Das ist beinahe trivial. Nein:
Was sich zunehmend zeigt, ist der geistige Zustand der Vereinigten Staaten nach annähernd acht Jahren George W. Bush.
Vor nicht allzu langer Zeit war es unter den Wahlkampfbeobachtern ausgemachte Sache, dass die Republikaner keine Chance haben würden im Kampf um die kommende Präsidentschaft.
Nachdem sich Hillary Clinton und Barack Obama zu beharken anfingen, so wie sie es taten und tun, begann sich das Blatt zu wenden. John McCain galt und gilt als der große Profiteur des bisherigen Wahlkampfs der Demokraten.
Da ist etwas dran. Ich meine aber: Da ist weniger dran, als man meinen möchte.
Aufschlußreicher scheint mir die Art, in der John McCain und Hillary Clinton bei den Wählern mit einigem Erfolg hausieren gehen können.
Die USA stehen in einem insgesamt wenig erfolgreichen Krieg, der auf einem Wust von Lügen aufgebaut wurde, und John McCain kann ungestraft davon sprechen, dass man auch 100 Jahre im Irak stehen bleiben könne?
Die USA stehen inmitten eines Nahost-Konflikts, und John McCain, der sich selbst als außen- und sicherheitspolitischen Profi darstellt, bringt immer wieder Schiiten und Sunniten durcheinander, ohne dass sich die Wähler mit mildem Kopfschütteln abwenden?
Die USA befinden sich inmitten einer ökonomischen Beinahe-Katastrophe, und McCain darf in seinem “straight talk” ungeniert preisgeben, dass er von Wirtschaft recht wenig versteht?
In den USA gibt es immer wieder Fälle von diskrimierender Behandlung in Betrieben, und John McCain lässt man es durchgehen, dass er der Senatsabstimmung über den Fair Pay Act fernbleibt und diese Gesetzesvorlage darüberhinaus auch noch diskreditiert?
McCain hatte sich einst vehement gegen die Mißbräuche in Guantanamo ausgesprochen, um längst zu einer “harten” Linie zurück gefunden zu haben, und es geht kein Aufschrei der Entrüstung durch ganz Amerika?
In den USA wurde nach 9/11 durch die Mannschaft von Bush, Cheney, Rice & Rumsfeld eine innenpolitische Aura des shock and awe aufgebaut, in der sich die USA in Verzerrung der Wirklichkeit inmitten einer Welt von Feinden (und unzuverlässigen Freunden) wähnten, und Hillary Clinton darf diese shock & awe – Politik mit “3-Uhr-nachts“-Wahlkampfspots fortzführen, ohne dass die Wähler angeekelt davon laufen?
Hillary Clinton darf ihrer vom Krieg doch mehr als genügend gebeutelten Nation großmäulig ankündigen, sie würde den Iran im Notfall nuklear ausradieren?
Hillary Clinton darf ihrem Publikum in pubertärer Weise die Mär ihrer Bosnien-Reise präsentieren, während der sie angeblich unter Scharfschützenfeuer geriet, und ihr Publikum beschränkt sich darauf, sie etwas zu belächeln, anstatt sie als sprücheklopfende Angeberin zu ignorieren? Dasselbe gilt für ihren angeblichen Beitrag zum Frieden in Nordirland.
Die USA sind nach wie vor Hauptverschmutzer der Atmosphäre und die Wähler zwingen ihre Kandidaten nach acht umweltignoranten Bush-Jahren nicht zu klaren, umfangreichen Stellungnahmen?
Die Vereinigten Staaten stecken in einer ernsten Energie- und Ölpreis-Krise, und John McCain zusammen mit Hillary Clinton dürfen einen Mickey-Mouse-Vorschlag namens gas tax holiday (Benzinsteuerbefreiung für einen Sommer lang) unterbreiten, ohne in einer Brandung aus Gelächter unterzugehen?
Das sind nur wenige Beispiele, nur die populären, und die Liste liesse sich lange fortführen.
Der Wahlkampf ist der Lackmustest der USA nach der großspurigen, aber inhaltsleeren Bush-Ära.
Die gebetsmühlenartigen Wiederholungen der Regierung Bush mit all den slogans von mission accomplished, them-or-us, axis of evil, rogue states [Schurkenstaaten] u.v.m. mitsamt allen damit oft pompösen Inszenierungen haben ihre Wirkung offenbar stärker hinterlassen, als man das bislang vermutet hat.
Propaganda wirkt. Auch heute, wenngleich subtiler:
Das Fortwirken der geistigen Impfung durch Bush – trotz der 67 Prozent, die seine Politik ablehnen – ist die eigentliche schockierende Bestandsaufnahme dieser Tage.
Wieso trotz der Ablehnung der Regierung Bush?
Man mag sich von Bush den Worten nach und dem Empfinden nach losgesagt haben. Es steht aber auf einem anderen Blatt, inwieweit man sich von den Wirkungen dieser Zeit tatsächlich frei gemacht hat.
Wer hätte sich kraft eigener Erfahrung von seiner Vergangenheit leichter lösen müssen als die Deutschen nach 1945? Dem war nicht so. Wie sagte der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer: “Ich traue meinen Deutschen nicht!”. Und damit hatte er vollkommen recht.
Würde nun Obama sagen: Ich traue meinen Amerikanern nicht (nach fast acht Jahren Bush), würde das seinen sofortigen politischen Tod bedeuten.
Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass sich wenigstens so viele von dieser Art Politikpräsentation absetzen, dass es ihm zu einem wenngleich knappen Sieg verhilft. Sollte es soweit kommen, könnte man sagen: Amerika, Du bist in 2008 mit einem blauen Auge davon gekommen.
Bis dahin haben es McCain und Hillary einfacher. Sie können sagen: Wir vertrauen darauf, dass der fortwirkende Geist der Bush-Jahre unsere zunehmend groben Phrasen glaubwürdig erscheinen lässt.
John & Hillary, you’re better off. For the moment, at least.
— Schlesinger
PS.: Damit es nicht völlig unlustig endet: David Lettermann meinte über John McCain, der erinnere ihn an den Typen, der im Eisenwarenladen die Schlüssel mache.
(Photo: Reichsparteitag / National Archives)