Bislang gab es einiges, das man John McCain zugute halten konnte. Da war sein Kampf gegen die gröbsten Härten in Guantanamo, den er beinahe im Alleingang gegen das Weisse Haus ausgefochten hatte; auch sein Einsatz für nur mäßige Steuererleichterungen für die Industrie; oder zusammen mit Senator Lieberman das Ausformulieren des Klimaschutz und Umwelt-Innovationsgesetz (I-CT), das für republikanische Maßstäbe nennenswerte Standards im Umweltschutz setzte.
Es gab auch einiges, das man ihm ankreiden kann, wie etwa seine unbedingte Ablehnung von liberalen Abtreibungsgesetzen (Roe vs. Wade), was freilich eine weltanschauliche Position ist.
Hinsichtlich seiner Kenntnisse zum Nahen Osten zeigte er angesichts des Umstandes, dass diese Region vor dem Hintergund von 9/11 eminent wichtig ist, gravierende Lücken (etwa mehrfache Verwechslung von Schiiten und Sunniten).
Dann ist da seine Mittelposition im Irakkrieg. Einerseits unbedingter befürworter des Irakkriegs (trotz aller inzwischen vorliegender Informationen zu den falschen und teilweise gefälschten Kriegsgründen).
Immerhin: Sein Plädoyer an der Seite von Präsident Bush für eine “surge”, also eine Welle der Verstärkung von 30.000 Mann, ist im Nachhinein als Erfolg zu werten.
Aber seit geraumer Zeit mehren sich die Anzeichen, dass McCain die Gunst der erzkonservativen , weltanschaulich fixierten Stammwähler wichtiger ist als eine unabhängige rationale Politik.
Senator, what do you see as the gravest long-term threat to the U.S. economy?
Nun wurde er vom Magazin FORTUNE interviewt. Gleich zum Auftakt kam angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage die Frage, welchen einzelnen Umstand er als die langfristig größte Bedrohung für die US Ökonomie ansehe.
Da gäbe es schon einige Auswahlmöglichkeiten: Immobilienkrise, Ölpreis, Staatsverschuldung, hohe Arbeitslosigkeit, Verschuldung der Privathaushalte, Handelsbilanzdefizit u.a.m.
Aber nein. McCain gab zur Antwort:
“Well, I would think that the absolute gravest threat is the struggle that we’re in against radical Islamic extremism, which can affect, if they prevail, our very existence. Another successful attack on the United States of America could have devastating consequences.”
Das scheint sich mehr und mehr zur Gebetsmühle von John McCain zu entwickeln. Die islamistische Gefahr.
Kein Mißverständnis: Es gibt sie, und sie sollte nicht unterschätzt werden.
Wäre aber das oben genannte Interview ein Schulaufsatz und McCain der Schüler gewesen, so hätte er wegen “Themaverfehlung” ein mangelhaft bis ungenügend bekommen müssen.
Sicher: Würde morgen in New York eine arabische Atombombe gezündet, hätte das verheerende Auswirkungen, auch auf die Wirtschaft.
Allerdings ist das ein Ereignis, dem realistisch betrachtet kein Präsident beikommen kann. Nur wenn alle Einwohner der USA in Einzelhaft wären, liesse sich ein Schreckensszenarium dieser oder ähnlicher Art mit Sicherheit ausschliessen. Auch ein rigoroser Überwachungsstaat kann derlei nicht ausschliessen.
Man könnte im Sinne McCains auch ebensogut sagen: Würde morgen ein Meteorit Washington vernichten, hätte das katastrophale Auswirkungen.
Mag ja sein.
Die Frage aber nach der größten wirtschaftlichen Bedrohung, die einem Präsidentschaftskandidaten gestellt wird, zielt auf dessen Urteilsvermögen ab, ökonomische Prozesse zu beurteilen. Das Ausstreuen von Anthrax durch Terroristen zählte bislang nicht zu den 4 Säulen einer gesunden bzw. ungesunden Wirtschaft (Vollbeschäftigung, ausgeglichene Handelsbilanz, stabile Währung = Preisstabilität, mäßige Staatsverschuldung).
Um es auf den Punkt zu bringen:
John McCain flüchtet vor konkreten Fragen, um wie George W. Bush Zuflucht zu suchen in allgemeinsten weltanschaulichen Spekulationen, in Droh-, Horror- und Erlösungsszenarien.
Die Achse des Bösen feiert unter John McCain fröhliche Urständ.
Vor diesem Gebahren wird es für Barack Obama zunehmend leichter werden, sich mit Gewinn abzusetzen von platten Politikformulierungen eines John George McBush.
Immerhin.
— Schlesinger
(Photo: Napalm filled tires)