Medien beginnen sich über McCain – Palin lustig zu machen
Eine Verschärfung der medialen Tonlage gegenüber dem republikanischen Gespann McCain – Palin ist kaum möglich.
Das bisweilen in Wut umschlagende Entsetzen der großen amerikanischen Zeitungen über die unzähligen Aussetzer beider Aspiranten hat inzwischen ein neues Stadium erreicht.
Vor Monaten noch konnte man eine insgesamt ausgewogene Berichterstattung beobachten, die mal den einen, dann den anderen Kandidaten kritisierte. Die Medien-Läger hatten je nach politischer Orientierung ihre Tendenzen, wie man sie schon immer kannte.
Sodann ließ sich eine quantitative Zunahme in der Kritik an McCain ablesen, ungeachtet zwischenzeitlicher Unkenrufe über einen möglichen Schwungverlust von Obamas Kampagne.
Spätestens mit der Nominierung Palins kam zur quantitativen Veränderung eine qualitative hinzu. Die mißbilligenden Töne waren immer öfter und in immer kürzeren Abständen zu hören.
Nun sehen wir die wahrscheinlich letzte Stufe dieser Eskalation, die beider Fehler nicht kritisiert, sondern verachtet und verspottet.
So hat der renommierte Kolumnist Roger Cohen von der Washington Post – die im Gegensatz zur eher liberalen New York Times ebenso viele konservative wie liberale Journalisten beheimatet – einen höhnischen Artikel verfasst, der sich mit Palins einfältigem Blick auf die Welt befasst.
Palinism – I know Russia because I can see it
Palinismus, so definiert Cohen, ist die Weltanschauung auf der Basis keinen Pass zu besitzen (den Palin erst letztes Jahr erhielt; sie war überhaupt erst einmal im Ausland) und ihrer Meinung Rußland zu kennen, weil man an klaren Tagen von Alaska aus hinüber schauen könne.
Interview mit Frau Palin, wie sie ihre behauptete außenpolitische Erfahrung begründen würde (ein unfreiwillig komisches Ergebnis):
https://de.youtube.com/watch?v=nokTjEdaUGg
Palin rede in ihrer “bekloppten Art” (“batty way”) ständig über die “Ausnahmerscheinung” Amerikas und der Amerikaner. Damit habe sie sogar recht, aber in einer gefährlichen Weise. Hinter dem trotzigen Beharren des amerikanischen Exzeptionalismus verstecke sich eine kalte Wut aufgrund des langsamen, aber steten Niedergangs in allen möglichen Lebensbereichen. Cohens harte Formulierung: “The damn-the-world, God-chose-us rage” [diese “Verflucht-sei-die-Welt, Gott hat schließlich uns auserwählt“-Wut].
Und McCain, ach ja, der habe immerhin im vergangenen Jahr das Internet und Google entdeckt. Obama möge ihm in einer Debatte bitte die bittere Wahrheit sagen:
Senator McCain, the world you claim to understand is the world of yesterday.
Amok-Nation, keine leuchtende Stadt auf dem Hügel
Auch wenn McCain Freund dieses Begriffes der Ausnahmenation sei: Leider verhalte es sich mit dem Exzeptionalismus etwas anders.
Von Bagdad bis hin zu Bear Stearns (der ersten untergegangenen Investmentbank) haben sich die letzten acht Jahre als Preis für eine Amok laufende Ausnahmenation erwiesen (“But, let’s face it, from Baghdad to Bear Stearns the last eight years have been a lesson in the price of exceptionalism run amok”).
Roger Cohen ist gewiß keiner, der sein eigenes Land aus Lust und Laune schlecht macht. Die Schärfe des Beitrags resultiert schlicht aus der tief sitzenden Furcht, mit Amerika würde es noch weiter bergab gehen, wenn dieses abstruse Paar McCain – Palin tatsächlich Einzug halten sollte ins Weisse Haus.
Dagegen, und nur dagegen, wendet Cohen seine spitze Feder.
— Schlesinger
(Photo: Washington Post)
Morissey:
In America, The land of the free, they said, And of opportunity, In a just and a truthful way. But where the president is never black, female or gay, and until that day, you’ve got nothing to say to me, to help me believe”