Hillary Clinton kann schroff sein, und sie dürfte es gewesen sein während ihres Telefonats mit Israels Premier Benjamin Netanjahu.
Sie wird sich genau daran erinnert haben, wie Netanjahu versuchte, ihren Mann Bill Clinton während dessen Präsidentschaft an der Nase zu führen.
Just in den gerade beendeten Besuch von US Vizepräsident Joe Biden platzte die Nachricht aus dem Jerusalemer Innenministerium, es seien weitere 1600 jüdische Wohneinheiten für das arabische Ost-Jerusalem genehmigt worden.
Biden vermied einen Eklat, auch wenn ihm die Verärgerung anzusehen war.
Selbst wenn Netanjahu höchst wahrscheinlich nicht derjenige war, der die Nachricht lancieren ließ, so muss man aus seinem anschliessenden Lavieren schliessen, dass er nicht willens oder nicht in der Lage ist, ein Machtwort gegenüber seinen rechten Koalitionspartnern zu sprechen. Doch der Affront in aller Öffentlichkeit war zu groß, als dass Obama oder Biden einfach darüber hinweggehen könnten.
Das Machtwort hat nun Clinton gesprochen.
Sie hat Netanjahu eine Liste durchgegeben, deren Beantwortung und Umsetzung Washington in Kürze erwartet:
- Eine Untersuchung und offizielle Erklärung, wie es zu der unsäglichen Ankündigung des weiteren Siedlungsbaus kommen konnte
- Eine Erklärung, die die Ankündigung des weiteren Siedlungsbaus rückgängig macht
- Ein “substantielles Angebot” in Richtung von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, darunter: Abzug von israelischen Armeeeinheiten aus der Westbank, Beseitigung von Strassensperren, Entlassung von palästinensischen Gefangenen, Erleichterung des Gaza-Transits
- Eine offizielle Erklärung, dass man in den direkten oder indirekten Gesprächen mit den Palästinensern keine Themen ausklammern wird (Jerusalem, Grenzverlauf, Siedlungen, Flüchtlinge, Wasser)
Während Netanjahu im Kabinett versuchte, diese Angelegenheit herunter zu spielen und im übrigen die Medien beschuldigte, die Sache aufgeblasen zu haben, warnte Israels Botschafter in Amerika Michael Oren unmißverständlich, die Beziehungen seien so schlecht wie zuletzt vor 35 Jahren, als es 1975 zu einer Machtprobe zwischen Henry Kissinger und Jitzchak Rabin zum Thema Teil-Rückzug aus der Halbinsel Sinai kam.
Wie nun bekannt wurde, war Botschafter Oren vergangenen Freitag vom Stellvertretenden Außenminister James Steinberg ins Auswärtige Amt einbestellt worden. Wie der Sprecher Orens einräumte, hat es sich tatsächlich nicht um ein gewöhnliches Gespräch gehandelt, sondern um eine formelle Einbestellung, was eine diplomatische Rüge ersten Ranges darstellt, und während der Botschafter Oren zurecht gewiesen wurde.
Da sich nun Washington deutlich positioniert hat, kann es sich keinen Rückzieher erlauben.
Netanjahu aber scheint es auf eine Kraftprobe ankommen lassen zu wollen, wie sich aus einer heutigen Stellungnahme ergibt:
The building in Jerusalem – and in all other places – will continue in the same way as has been customary over the last 42 years
Abgesehen davon, dass solche vollmundigen Ankündigungen in der aktuellen Lage nicht gerade als diplomatisch klug angesehen werden können, wird man sehen, ob Netanjahu sich damit durchsetzen kann.
AIPAC: Obama ist schuld
Netanjahu pokert mit höchstem Einsatz. Ob die prompte Unterstützung der amerikanisch-jüdischen Lobby AIPAC genügt, um Obama nachgeben zu lassen? Die robuste – oder muss man sagen: arrogante – Stellungnahme des AIPAC weist Obama die Schuld an der Eskalation zu:
“The Obama Administration’s recent statements regarding the U.S. relationship with Israel are a matter of serious concern.
AIPAC calls on the Administration to take immediate steps to defuse the tension with the Jewish State”
Rabin übrigens beugte sich seinerzeit Kissinger und ordnete einen teilweisen Rückzug aus dem Sinai an.*
— Schlesinger
* Israels Schutzmacht redet nicht nur, sondern wird bereits handgreiflich. Im neuen US-Budgetvoranschlag ist der israelische Antrag auf 2,5 Milliarden Wirtschafts- und Militärhilfe unerwähnt.
Maßgebliche amerikanische Politiker erläutern unverblümt: “Natürlich hängt unsere Großzügigkeit von Israels Rückzugsbereitschaft … ab.”
Unter dem Druck der USA beschloß die Regierung Rabin, frühere Prinzipien aufzugeben und Gelände zu räumen […]
Und auch die vor allem von den Russen geforderte Genfer Konferenz lehnen die Israelis nicht mehr rundweg ab. Die Abendzeitung “Jediot Acharonot”: “Genf ist keine Ideallösung, aber nicht gefährlicher als Kissingers wirtschaftlicher und politischer Druck.” (Spiegel-Bericht, 1975)
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